Frankfurt a.M./Karlsruhe (epd). Der Generalbundesanwalt wird in Kürze Anklage im Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) erheben. Das erfuhr der Evangelische Pressedienst (epd) am Samstag aus Ermittlerkreisen. Lübcke war am 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses in Wolfenhagen bei Kassel mit einem Kopfschuss getötet worden. Unter Mordverdacht steht der Rechtsextremist Stephan Ernst. Dieser hatte nach seiner Festnahme im vergangenen Sommer den Mord an Lübcke zunächst zugegeben, das Geständnis aber später widerrufen und erklärt, ein Mitbeschuldigter habe Lübcke versehentlich erschossen.
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte über die bevorstehende Anklageerhebung vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt berichtet. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Samstag mit, man äußere sich nicht zu den Presseberichten.
Stephan Ernst soll laut dem "Spiegel"-Bericht vor zehn Jahren auch die Kasseler Synagoge ausgespäht haben. Demnach wurden im Keller seines Wohnhauses ein USB-Stick mit entsprechenden Informationen gefunden. Er habe unter anderem festgehalten, wann besonders viele Gäste in dem jüdischen Gotteshaus anwesend waren und auch vermerkt, dass an einem bestimmten Tag Jugendliche aus der Synagoge kamen.
Dem Bericht zufolge hat Ernst auf dem in einer Schokoladenpackung versteckten und verschlüsselten Stick auch Dossiers über vermeintliche Feinde angelegt, darunter örtliche Politiker von SPD, Grünen und PDS sowie Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Kassel. Der Rechtsextremist habe ihre Namen, Autokennzeichen, Telefonnummern sowie Adressen gespeichert und Zeitungsartikel über sie archiviert. Insgesamt habe die aus den Jahren 2001 bis 2007 stammende Liste etwa 60 Namen und Institutionen umfasst.
Laut einer Mitteilung des hessischen Innenministerium von November hatte die hessische Polizei die jüdische Gemeinde und auch alle anderen in den Notizen genannten Institutionen und Personen vorsorglich informiert und zudem die Kontrollen an der Kasseler Synagoge verstärkt.
Der Sprecher des Wiesbadener Innenministeriums, Michael Schaich, sagte dem epd am Samstag, die Sicherheitsvorkehrungen an den Synagogen des Landes seien bereits vor dem Anschlag auf das jüdische Gotteshaus in Halle im vergangenen Jahr hoch gewesen und danach noch einmal verstärkt worden.
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