Frankfurt a.M. (epd). Vor den Gesprächen mit der Bundesregierung an diesem Freitag erhoffen sich religiöse Vertreter in Deutschland eine Lockerung der Corona-Beschränkungen für Gottesdienste. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, plädierte dafür, gemeinschaftliche Gottesdienste schrittweise wieder zu ermöglichen. "Wir erwarten, dass unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen, den Religionsgemeinschaften wieder Möglichkeiten eröffnet werden, unter Berücksichtigung strenger Regeln in eingeschränktem Maß wieder zu Gottesdiensten zusammenzukommen", sagte er am Donnerstag in Bonn.
Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er sei skeptisch, ob angesichts der Öffnung beispielsweise von Modeboutiquen ein fortgeltendes pauschales Verbot religiöser Versammlungen den Anforderungen des Grundgesetzes genüge.
Auch unter Muslimen, für die Ende der kommenden Woche der heilige Fastenmonat Ramadan beginnt, regt sich Widerspruch gegen die pauschale Verlängerung des Versammlungsverbots. "Es ist nicht nachvollziehbar, wenn Moscheen, Kirchen oder Synagogen geschlossen bleiben müssen, das Shoppen in der Stadt aber erlaubt sein soll", erklärte der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, Bekir Altas, am Donnerstag in Köln. Der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit dürfe nicht weniger Wert beigemessen werden als ökonomischen Überlegungen.
Bund und Länder hatten am Mittwoch beschlossen, dass trotz geplanter Lockerungen für Geschäfte schon ab der kommenden Woche das Verbot religiöser Zusammenkünfte zunächst weiterbestehen soll. Das Bundesinnenministerium will sich am Freitag mit Vertretern aller Religionsgemeinschaften beraten. Die katholische Kirche werde in das geplante Gespräch einen Vorschlag einbringen, wie Religionsausübung und Infektionsschutz gleichermaßen gewährleistet werden können, kündigte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, an. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte am Mittwoch, er sei zuversichtlich, dass man sich mit der Bundesregierung und den Ländern auf "verantwortbare Formen des Gottesdienstes" einigen könne.
Der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig mahnte eine regelmäßige Überprüfung der Einschränkungen an. "Ich denke, wir wären gerade in Anhalt mit unseren überschaubaren Gemeindegrößen und in größeren Kirchengebäuden durchaus in der Lage, auch reguläre Gottesdienste stattfinden zu lassen, unter Einhaltung eines angemessenen Abstandes und aller hygienischen Vorschriften", sagte er in Dessau-Roßlau. Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinig, schlug vor, eine Höchstpersonenzahl pro 100 Quadratmeter und einen Mindestabstand festzulegen. Außerdem regte er Mund-Nase-Masken und den Verzicht auf Gesang und Abendmahl an.
Zentral ist für die Kirchen eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen bei Trauerfeiern. Menschen könnten derzeit nur sehr eingeschränkt von ihren Verstorbenen Abschied nehmen, betonte ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. "Wir hoffen sehr, dass sich diese Situation der Trauernden verbessern kann."
Einige Bundesländer, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen-Anhalt, kündigten am Donnerstag an, über Lockerungen für Gottesdienste nachzudenken. Im Saarland könnte an Pfingsten, also Anfang Juni, wieder gemeinsam gebetet werden, stellte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) in Aussicht. In Nordrhein-Westfalen sprachen Landesregierung und Religionsvertreter bereits am Donnerstagnachmittag miteinander.
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