Berlin (epd). Der Göttinger Angstforscher Borwin Bandelow sieht im Hamstern von Toilettenpapier in der Corona-Krise eine deutsche Urangst. Früher seien die Menschen an mangelnder Hygiene durch Bakterien gestorben und Toilettenpapier stehe für Hygiene, sagte der Ehrenvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Angstforschung der "Berliner Zeitung" (Donnerstag). "In der Corona-Krise ist es für die Deutschen mit dieser aktivierten Urangst deshalb eine Horrorvorstellung, kein Toilettenpapier zu haben", sagte der emeritierte Professor für Neurologie und Psychiatrie.
Angst sei sehr tief in den Menschen verwurzelt. Vor 50.000 Jahren hätten sie in Nordeuropa wegen der langen Winter hamstern müssen. Wer da nicht vorgesorgt habe, sei verhungert. "Ängste vererben sich. Bis in die heutige Zeit haben wir dieses Hamster-Gen in den einfach strukturierten Teilen unseres Angstsystems", sagte Bandelow. Und so sage das Vernunftgehirn jetzt zwar 'Mach dir keine Sorgen, die Kartoffeln wachsen weiter, die Hühner legen weiter Eier, niemand müsse verhungern': "Aber das Angstgehirn kramt die alte Panik vorm Verhungern aus und der Mensch fängt an zu hamstern."
Die Leute kauften tatsächlich Sachen, die sie sonst nie gekauft hätten und auf einmal würden alle Brot selbst backen: "Unser Angstsystem schaltet in einer Krise in diesen ureigenen Überlebensmodus", sagte Bandelow. Die Wintermonate hätten früher vor allem die ängstlichen Bedenkenträger überlebt, die in der Lage waren, sechs Monate im Voraus zu planen: "Die planlosen, fröhlichen Unbekümmerten, die sind gestorben."