Berlin (epd). Die Corona-Pandemie könnte laut Entwicklungsexperten etwa 500 Millionen Menschen in die Armut stürzen. Die wirtschaftlichen Folgen könnten den Kampf gegen die Armut um ein Jahrzehnt zurückwerfen, im Nahen Osten und einigen afrikanischen Regionen sogar um 30 Jahre, erklärte die Hilfsorganisation Oxfam am Donnerstag in Berlin. Sie forderte vor der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Schuldenerlass für arme Länder, zusätzliche Sonderhilfen des IWF und eine Erhöhung der Etats für Entwicklungshilfe der Industrienationen. Das Treffen von Weltbank und IWF findet vom 14. bis 17. April virtuell statt.
Oxfam zufolge würde ein Einkommensrückgang der Haushalte um 20 Prozent dazu führen, dass weitere 434 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar (rund 1,75 Euro) pro Tag rutschen. Die Zahl der Armen würde auf über eine Milliarde Menschen steigen. Setze man die Armutsgrenze entsprechend der Definition der Weltbank bei 5,50 Dollar an, hätten weitere 548 Millionen Menschen nicht genug Geld zum Leben. Die Gesamtzahl der Armen läge nach der Definition bei fast vier Milliarden Menschen. Oxfam stützt sich dabei auf Analysen des Londoner King's College und der Australian National University.
Die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20), der IWF und die Weltbank müssten die Lehren aus der Finanzkrise 2008 ziehen und dafür sorgen, dass nicht nur Unternehmen gerettet würden, sondern die breite Bevölkerung Unterstützung erfahre, forderte die Vorsitzende von Oxfam Deutschland, Marion Lieser. Nötig sei ein Rettungspaket für alle, damit arme Länder ihre öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und sozialen Sicherungssysteme stärken, Menschen in Not Bargeldzuschüsse gewähren und gefährdete Kleinunternehmen retten könnten. Die UN bezifferten den Finanzbedarf in Entwicklungsländern auf 2,5 Billionen Dollar.
Weltweit arbeiten laut Oxfam zwei Milliarden Menschen im informellen Sektor ohne soziale Absicherung. In Afrika könnten laut UN-Schätzungen fast die Hälfte aller Arbeitsplätze verloren gehen. Davon wären Frauen besonders bedroht, denn sie seien häufiger prekär beschäftigt und schlecht bezahlt als Männer.
Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fordert zusätzliches Geld für die Unterstützung armer Länder in der Corona-Krise. Er kritisierte am Mittwoch eine Entscheidung der EU-Kommission, lediglich bereits zugesagtes Geld für den Kampf gegen die Pandemie umzuwidmen.