Oaxaca, Havanna (epd). Italien, Andorra, Haiti, Venezuela, Jamaika - es war eine stattliche Liste, mit der Francisco Durán García an die Öffentlichkeit trat. 596 Ärzte habe man in insgesamt 14 Länder entsandt, um sie im Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen, sagte der Leiter der Abteilung Epidemiologie des kubanischen Gesundheitsministeriums jüngst in Havanna.
Kurz zuvor hatten Bilder aus Mailand Aufsehen erregt: 53 Mediziner und Krankenpfleger waren aus Kuba angereist, um ihren italienischen Kollegen beizustehen. Weiße Arztkittel, Mund und Nase mit Masken geschützt, zeigten sie sich mit der Flagge ihres Landes auf dem Flughafen.
Kaum ein Land profiliert sich derzeit in der medizinischen Kooperation so wie Kuba. Dabei kämpft der sozialistische Inselstaat selbst mit dem gefährlichen Virus. Bis Mittwoch waren laut der US-Universität Johns Hopkins 396 Corona-Fälle gemeldet worden - und elf Tote. Der Tourismus, eine Haupteinnahmequelle, liegt flach. Zudem leidet Kuba seit Jahrzehnten unter dem US-Wirtschaftsembargo, die internationale Geschäfte sehr einschränkt.
Auch deshalb leben viele Kubaner unter prekären Bedingungen. Lebensmittel sind knapp, in Krankenhäusern fehlt es an Medizin und Gerät. Dennoch sei man bereit zu helfen, betont der Pfarrer Bartolomé Lavastida. "Kuba ist entschlossen, die wenigen Mittel, die wir haben, zu teilen", sagt der Geistliche vom ökumenischen Bildungszentrum Lavastida in Santiago de Cuba.
Vor allem aber bringt der Export medizinischen Personals Milliarden an Devisen in die klamme Staatskasse. Nach Angaben der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad) verdient das Land damit drei Mal so viel wie mit der Ausfuhr von Rum, Nickel, Zucker und Zigarren zusammen. "Kuba kooperiert derzeit mit 59 Ländern der Welt", erklärt Durán Garcia. 28.129 kubanische Ärzte, Ärztinnen, Krankenschwestern und Pfleger seien im Ausland tätig.
Ihren Anfang nahmen die Einsätze bereits 1963. Der damalige Staats- und Parteichef Fidel Castro rief sie als "Armee der weißen Kittel" ins Leben. Viele Mediziner gingen in den vergangenen Jahren ins verbündete Venezuela, im Gegenzug erhielt Havanna günstiges Erdöl. Auch bei der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika halfen die Kubaner. Aus Brasilien und Bolivien mussten sie abziehen, nachdem dort in den vergangenen Jahren rechte Politiker die Regierungen übernommen hatten.
Für die Mediziner bietet der Auslandseinsatz die Möglichkeit, ihr bescheidenes Gehalt von umgerechnet 40 bis 70 Euro monatlich aufzubessern. So verdienten Ärzte, die in Brasilien tätig waren, 700 Euro monatlich. Das ist aber nur ein Viertel dessen, was Brasilien der Regierung in Havanna zahlte.
Die regimekritische Publizistin Yoani Sánchez bezeichnet die Entsendungen deshalb als gefährliche PR-Aktion. "Unsere Ärzte werden geopfert, sie arbeiten, rackern sich ab und riskieren ihr Leben, aber davon profitiert vor allem die Regierung", schreibt die Kubanerin auf ihrem Blog. Zugleich wachse die Unzufriedenheit über den erbärmlichen Zustand der kubanischen Krankenhäuser, in die die Patienten alles selbst mitbringen müssten, von den Decken bis zum Essen.
Schon lange fehlt es in dem Karibikstaat an Medikamenten, zumal ein Teil davon auf dem Schwarzmarkt landet. Zugleich verfügt Kuba aber über ein kostenloses Gesundheitssystem mit einer Arztdichte, von der andere Staaten nur träumen können. Zudem hat die Regierung auch in schweren Krisenzeiten an der medizinischen Forschung festgehalten.
Das macht sich jetzt bezahlt. Kubanische Biotechniker haben den antiviralen Wirkstoff Interferon Alfa 2b entwickelt. In China wurde das für die Krebsbehandlung produzierte Medikament bereits mit guten Resultaten gegen die Lungenkrankheit Covid-19 eingesetzt. Mehrere Staaten und Unternehmen haben Interesse angemeldet, darunter die sächsische Firma Profümed, die Medizinprodukte auf Zellstoffbasis wie Tupfer und Kompressen herstellt.
Pfarrer Lavastida ist davon überzeugt, dass das kubanische Gesundheitssystem auf die Corona-Krise gut vorbereitet sei. "An Ärzten fehlt es trotz der Entsendungen nicht, da ja viele aus Brasilien und Bolivien zurückgekommen sind", sagt er. Er verweist darauf, dass zahlreiche Medizinstudenten von Haus zu Haus ziehen, um die Bewohner auf Corona-Symptome zu untersuchen.
Die Regierung behauptet, im Rahmen dieser Aktion "Pesquisas" (Nachforschungen) seien schon acht Millionen Menschen untersucht worden. Das wären drei Viertel der Bevölkerung. Trotz der knappen finanziellen Ressourcen ist auch der Künstler Omar Gomez vorsichtig optimistisch. "Wir haben schon ähnlich schwierige Situationen erlebt und gelernt, sie abzufedern", sagt er. "Da wir immer noch leben, muss unser Gesundheitssystem also etwas für sich haben."