Berlin (epd). Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die Ankündigung des Bundesinnenministeriums, voraussichtlich in der nächsten Woche 50 Kinder aus den Flüchtlingslagern der griechischen Inseln in Deutschland aufzunehmen, als unzureichend kritisiert. Es sei "Alibihandeln der Bundesregierung", erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Mittwoch. Er erneuerte die Forderung, die Lager in Griechenland wegen der Gefahr einer Ausbreitung des Coronavirus komplett zu evakuieren.
Das Lager Moria auf Lesbos sei ein einziger Alptraum, erklärte Pro Asyl. Ende Januar habe es dort drei Ärzte, acht Krankenschwestern und sieben Dolmetscher für knapp 20.000 Menschen gegeben. Bis zu 500 Menschen müssten sich in Teilen des Lagers eine Dusche teilen. Simple Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen könnten nicht eingehalten werden. Zudem gebe es keinen ernstzunehmenden Notfallplan für den Fall, dass Covid-19 das Lager erreicht. Risikogruppen könnten sich zum Schutz nicht isolieren.
Das Bundesinnenministerium hatte am Dienstagabend mitgeteilt, dass Minister Horst Seehofer (CSU) an diesem Mittwoch dem Kabinett vorschlagen will, 50 unbegleitete Minderjährigen aus Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Der Transfer soll nach einer entsprechenden Absprache mit den Vertretern der Koalitionsfraktionen nach Möglichkeit in der kommenden Woche beginnen.
Der Koalitionsausschuss hatte bereits Anfang März beschlossen, dass Deutschland Kinder aus den Lagern im Rahmen einer europäischen Initiative aufnehmen wird. Danach gab es auch eine Vereinbarung von nach Angaben des Innenministeriums zehn EU-Staaten, mindestens 1.600 besonders Schutzbedürftige aus Griechenland aufzunehmen. Die Umsetzung geriet parallel zur Corona-Krise allerdings ins Stocken.
Luxemburg hatte in den vergangenen Tagen angekündigt, bei der Aufnahme voranzugehen und auch Deutschland dazu aufgefordert. Das Bundesinnenministerium erklärte, man habe die klare Erwartungshaltung, dass auch die anderen Länder ihre Zusage einhielten.