Bonn (epd). Der BIVA-Pflegeschutzbund sieht die Kontaktsperren für Angehörige in Pflegeeinrichtungen kritisch. In knapp 90 Prozent aller Heime gebe es fast keine Besuche mehr, sagte Vereinsvorstand Manfred Stegger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das habe gravierende Folgen für die Heime, die Bewohner und die ausgesperrten Angehörigen, sagte der Patientenschützer. "Jedes Beharren auf starren Regeln führt zu unnötiger menschlicher Grausamkeit."
Zwar müssten alle Hygienevorgaben und Kontaktsperren strikt eingehalten werden. Doch Stegger hält diese rigiden Vorgaben keineswegs für alternativlos. Wenn Angehörige Schutzmaßnahmen akzeptierten, sollten sie zumindest sterbende Verwandte besuchen dürfen. "Ein sterbender alter Mensch muss nicht mehr vor einem Virus geschützt werden."
Die Besuchsverbote isolierten die Bewohner und stellten sich sorgende Angehörige auf eine harte Probe. "Viele Ratsuchende sind verunsichert, manche berichten an unserem Beratungstelefon von weinenden oder depressiven Heimbewohnern."
Zwar erlauben laut Stegger nahezu alle Länder theoretisch weiterhin Besuche, die medizinisch oder ethisch-sozial erforderlich sind. In manchen Ländern würden auch gesetzliche Betreuer, Anwälte oder Notare hereingelassen. Aber: "In extremen Akutsituationen, wenn etwa das Haus unter Quarantäne steht, weil es viele Covid-19-Fälle gibt, scheint selbst die Sterbebegleitung untersagt worden zu sein."
Dafür fehlt dem Vorstand jegliches Verständnis: Sterbende bräuchten vor allem menschliche, moralische und geistliche Unterstützung im allerletzten Lebensabschnitt. "Sie müssen die Gelegenheit haben, sich von Angehörigen zu verabschieden und ihre letzten Dinge zu regeln."
Ziel müsse es sein, so bald wie möglich wieder mehr Begegnungen zuzulassen. Kontakte nach draußen sollten indirekt möglich gemacht werden, etwa durch Videotelefonie. "Man könnte auch einen gesicherten Besuchsraum einrichten, der ausschließlich für Besuche unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen genutzt wird."
Stegger warb zudem dafür, neben dem gesamten Heimpersonal auch Angehörige regelmäßig in kurzen Abständen auf Corona zu testen. "Wenn die Tests negativ ausgefallen sind beziehungsweise nach überstandener Infektion Antikörper festgestellt wurden, sollten sie die Bewohner unter Einhaltung von Hygienevorschriften besuchen können."