Wiesbaden (epd). Die Deutschen fürchten laut einer Umfrage im Jahresvergleich jetzt insbesondere einen Niedergang der Wirtschaft. 58 Prozent der Anfang April repräsentativ befragten 1.075 Bürger äußerten Angst vor einer Verschlechterung der Wirtschaftslage, teilte die Versicherung R+V am Dienstag in Wiesbaden mit. Das seien 23 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Die Sonderbefragung der jährlichen Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" habe dazu den höchsten Wert seit zehn Jahren ermittelt. 2010 hatte die Finanzmarktkrise die Angst vor einer Rezession in die Höhe getrieben.
"Die Sorgen sind begründet. Der Wirtschaftsabschwung, der in Deutschland 2020 zu erwarten ist, übertrifft höchstwahrscheinlich die Wirtschaftskrise von 2009", sagte der Heidelberger Politikwissenschaftler Manfred G. Schmidt laut R+V, langjähriger Berater der Umfrage. Damals sei die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 5,6 Prozent geschrumpft. Diesmal könnte der Absturz tiefer gehen, wenn die Corona-Pandemie länger dauere.
Die allgemeine Sorge um die Entwicklung der Wirtschaftslage hat sich aber noch nicht auf die persönliche Angst um den Arbeitsplatz ausgewirkt. Diese verharrt der Umfrage zufolge derzeit auf dem relativ niedrigen Niveau des Vorjahres. Etwa jeder vierte Bundesbürger (24 Prozent) bange um den eigenen Job.
Nicht überraschend ist, dass die Angst, schwer zu erkranken, leicht gestiegen ist, nämlich um sechs Prozentpunkte auf 41 Prozent. "Bemerkenswert ist allerdings, dass die Sorge in allen Altersgruppen in etwa gleich hoch ist", sagte Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters. "Offensichtlich haben viele jüngere Menschen erkannt, dass Covid-19 nicht nur Ältere treffen kann." Mehr Frauen sorgten sich vor einer schweren Krankheit (46 Prozent) als Männer (36 Prozent).
Die Politik wird von einer Mehrheit der Deutschen derzeit als kompetent eingeschätzt. 46 Prozent (2019: 47 Prozent) der Deutschen befürchteten, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind. "Das ist wie im vergangenen Jahr eine der besten Bewertungen für die Arbeit der Politiker in den vergangenen 20 Jahren", erläuterte Römstedt.
Seit fast 30 Jahren untersucht das R+V-Infocenter nach eigenen Angaben in der Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" im Sommer die Sorgen der Bundesbürger rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Für die aktuelle Sonderbefragung hatte die R+V vier Fragen ausgewählt, die in der Corona-Krise große Bedeutung haben.