Berlin (epd). Die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten ist im vergangenen Jahr gestiegen. Wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Irene Mihalic hervorgeht, wurden für 2019 insgesamt 22.337 Delikte vorläufig im Kriminalpolizeilichen Meldedienst für Politisch Motivierte Kriminalität gemeldet, bei denen die Tat einen rechtsextremen Hintergrund hatte. 2018 zählte die Polizei 20.431 rechtsextrem motivierte Straftaten, 2017 insgesamt 20.520. Zuerst hatten die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag) darüber berichtet.
Unter die für 2019 gemeldeten Delikte fallen laut Ministerium vor allem Propagandadelikte und Fälle von Volksverhetzung, aber auch fast 1.000 versuchte und vollzogene Gewalttaten wie Körperverletzung und in Einzelfällen auch Tötungsdelikte. Bei den rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikten zeichne sich ein Rückgang ab, von 1.156 im Jahr 2018 auf 986 im vergangenen Jahr. Die endgültigen Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität werden laut Innenministerium voraussichtlich im Mai vorgestellt.
Insgesamt hat die Polizei laut vorläufigen Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr 41.175 politisch motivierte Straftaten festgestellt, ein Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. 2018 waren es 36.062 Delikte, 2017 noch 39.505. Darunter wurden jeweils auch die versuchten Straftaten aufgeführt. Laut der Statistik hatten im vergangenen Jahr in 9.849 Fällen Linksextremisten politisch motivierte Straftaten verübt. 427 Delikte sind demnach religiös begründet.
Laut den Angaben der Bundesregierung zeichnet sich auch ein erneuter Anstieg der antisemitischen Straftaten in Deutschland ab. Demnach registrierte die Polizei für 2019 vorläufig 2.032 Delikte, die sich gegen Menschen jüdischen Glaubens oder ihre Einrichtungen richteten. 2018 waren es nach endgültigen Polizeistatistiken 1.799 Fälle.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, erklärte, die aktuellen Zahlen zu rechtsextrem motivierten Straftaten "verdeutlichen den Ernst der Lage, der von der Bundesregierung zu lange nicht erkannt wurde". Sie betonte: "Insbesondere die vielen Angriffe gegen Jüdinnen und Juden offenbaren ein erschreckendes Bild und fordern nach einer nachhaltigen Strategie gegen Rechtsextremismus. Wir können nicht akzeptieren, dass jüdische Menschen in Deutschland dieser steigenden Anzahl von Straf- und Gewalttaten ausgesetzt sind."
Auch in den ersten Wochen dieses Jahres hat bereits ein rechtsextremistischer Anschlag die Bundesrepublik erschüttert: Im hessischen Hanau erschoss im Februar ein Mann neun Menschen mit Migrationshintergrund, einige von ihnen in einer Shisha-Bar. Vor einem halben Jahr schockierte eine Tat in Halle das Land: Dort wurden im Oktober eine Frau und ein Mann von einem Täter erschossen, der ein Blutbad in einer Synagoge geplant hatte. Im Juni sorgte der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke für Entsetzen. Der 65-jährige CDU-Politiker war vor seinem Wohnhaus mit einem Kopfschuss getötet worden. Der Tatverdächtige war laut Verfassungsschutz jahrzehntelang in der rechten Szene aktiv.
epd kfr/mey jup