Konfliktforscher warnt vor Stimmungsumschwung in Corona-Krise
Zick: Wir sind in der Pandemie eine Expertengesellschaft geworden
07.04.2020
epd
epd-Gespräch: Holger Spierig

Bielefeld (epd). Der Konfliktforscher Andreas Zick sieht bei lange anhaltenden Einschränkungen in der Corona-Krise die Gefahr eines Stimmungswechsels in der Gesellschaft. Der Streit nehme bereits zu, sagte der Wissenschaftler in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Werde die freiwillige Einwilligung immer mehr als erzwungene Einwilligung erlebt, dann orientierten sich Menschen an anderen, die das als Freiheitsentzug interpretieren und revoltieren, warnte Zick.

Es komme daher darauf an, gewünschte Maßnahmen "weiterhin als Bitte und freiwillige Entscheidung zu organisieren", erklärte der Konfliktforscher. Auch müsse der Appell mit ausgewogenen Informationen über Gefahren wie auch mit positiven Nachrichten gekoppelt werden. Der gemeinsame Gesundheitsschutz könne jetzt Gemeinsamkeit schaffen, wie es der Klimaschutz auch in den vergangenen Monaten geschafft habe. "Zwang allein wird das Gegenteil erzeugen", warnte Zick.

Krisen durch Epidemien verstärken laut Zick bei vielen Menschen die Verunsicherung. Damit werde eine Flucht in eine vermeintliche Sicherheit attraktiv. Das könne zu autoritärem Verhalten oder auch zu einer pragmatischen Angepasstheit führen, erklärte der Wissenschaftler. In autoritären Regimen wie Ungarn sei die Gesellschaft durch Verbote sowie Ausgrenzungen von Gruppen in eine autoritäre Situation gebracht worden.

In Deutschland ist die Lage nach Worten Zicks jedoch anders: "Ich denke, wir sind in einem Prozess einer temporären Vergemeinschaftung, der notwendig ist, in Krisenzeiten, die nicht von politischen Krisen gezeichnet sind", sagte der Wissenschaftler. Aktuell suchten Menschen Sicherheit bei denen, die die Krankheit verstehen. Hier seien nicht Autoritäten des Staates, sondern der Ärzte und Wissenschaftler gefragt. "Wir sind in der Pandemie zu einer Expertinnen- und Expertengesellschaft geworden", sagte Zick.

Wenn die Krise jedoch länger andauere, könnten wirtschaftliche Krisen oder soziale Krisen durch die Isolation verstärkt werden, warnte Zick. Ohnmacht mache zudem anfällig für Populismus. Das könne dann Einstellungen stärken, es gäbe minderwertigere Andere und korrupte Eliten. Problematisch werde es, wenn der Logik des Marktes die Gefahrenabwehr für andere geopfert werde, sagte der Wissenschaftler. Das treffe oft Minderheiten, wie die Fälle von geringerer Gesundheitsprävention für Geflüchtete in Unterkünften oder an den Grenzen zeigten.