Huber: Corona-Krise ist "Ernstfall der menschlichen Würde"
02.04.2020
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Der evangelische Theologe und Ethiker Wolfgang Huber hält die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise für gerechtfertigt, weil dies der "Ernstfall der menschlichen Würde" ist. "Wir wollen in einem Land leben, in dem kein Mensch nur unter dem Gesichtspunkt angesehen wird, was er der Gesellschaft nützen kann", sagte Huber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Jeder werde mit Blick auf die persönliche Integrität und die Unantastbarkeit seiner Würde angesehen. "Sie zu achten, ist ein Gebot für jeden Einzelnen, nicht nur für den Staat."

Huber war von 1994 bis 2009 evangelischer Bischof von Berlin, von 2003 bis 2009 war er zugleich Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit oberster Repräsentant der deutschen Protestanten. Zudem hat er zahlreiche Schriften über christliche Ethik verfasst.

Das Coronavirus verlange "verantwortliche, am Leben und Überleben der Menschen orientierte Reaktionen", sagte der Theologe. Drastisch werde den Menschen vor Augen geführt, dass die Zukunft nicht in ihrer Hand liege. "Wir können nur versuchen, uns so konsequent wie möglich unserer Verantwortung zu stellen", sagte er. Alle hätten die Aufgabe, sich gegenseitig zum Durchhalten zu ermutigen.

Das Ziel der Einschränkungen sei, in den Krankenhäusern eine Situation zu vermeiden, in der mehr Kranke beatmet werden müssten, als Kapazitäten vorhanden sind. "Ärztinnen und Ärzte müssen, so gut es geht, vor der Entscheidung bewahrt werden, wem sie zu helfen versuchen und wem nicht."

Mit größtem Respekt müsse man an Ärztinnen, Ärzte und Pflegende denken, wenn sie eine Situation auf sich nehmen müssen, in der sie über Leben und Tod von Patienten zu entscheiden hätten. "Es gibt Situationen, aus denen man nicht schuldlos herausfindet, aber trotzdem handeln muss", sagte Huber. "Sie nehmen aus Verantwortung Schuld auf sich, weil es in einer solchen Situation keinen Weg der Schuldvermeidung gibt. Sie müssen tun, was sie in dieser Situation für das relativ Bessere halten." Die Gesellschaft müsse das mittragen.