Genf, Bamako (epd). Die für diesen Sonntag angesetzte Parlamentswahl in Mali soll trotz zunehmender Covid-19-Fälle und der Entführung von Oppositionschef Soumaïla Cissé stattfinden. Die Regierung von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta reagierte am Freitag nicht auf Forderungen von Opposition, Zivilgesellschaft und Imamen, die Abstimmung zu verschieben. In Mali sind laut der US-amerikanischen Johns Hopkins Universität bislang elf Corona-Fälle bestätigt. Keïta hatte am Mittwoch rigorose Hygienemaßnahmen angekündigt. Überschattet wird die Wahl außerdem vom zunehmenden Terrorismus vor allem im Norden des Sahelstaats.
Terroristen werden auch hinter der Entführung Cissés bei einem Wahlkampfauftritt am Mittwoch vermutet. Nach einer Kundgebung in der Ortschaft Saraféré im Norden des Landes war der Konvoi Cissés nach Berichten des Nachrichtenportals "Malijet" von Männern beschossen worden. Cissé und weitere Mitglieder seiner Entourage wurden entführt. Fünf Entführte waren am Donnerstag freigelassen worden, unter ihnen Cissés Leibwächter, der später an seinen Schussverletzungen starb. Ein Regierungssprecher erklärte, Cissé gehe es den Umständen entsprechend gut.
Der ehemalige Finanzminister Cissé ist einer der prominentesten Oppositionspolitiker in Mali. Er hatte drei Mal vergeblich für den Präsidentenposten kandidiert. Wo er festgehalten wird, ist unklar. Ein Sprecher der UN-Mission in Mali (Minusma) erklärte, man unterstütze die Suche mit einem Helikopter. Die Region um Saraféré wird regelmäßig von Terroristen heimgesucht, die dem Netzwerk Al-Kaida nahestehen.
Bei der Wahl sollen die 147 Abgeordneten der Nationalversammlung neu bestimmt werden, die zuletzt 2013 gewählt wurden. Die ursprünglich für 2018 vorgesehene Wahl war mehrmals verschoben worden. Wegen der Corona-Krise herrscht in Mali eine nächtliche Ausgangssperre. Die Grenzen sind außerdem geschlossen.