Krankenhausseelsorge
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Auch Krankenhausseelsorger*innen sind angehalten, die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Corona einzuhalten. Dadurch verändert sich die Seelsorge.
"Seelsorge ist die Kernkompetenz von Kirche, die unsere Gesellschaft braucht"
Die Corona-Pandemie verändert die Krankenhausseelsorge
Auch Krankenhausseelsorger*innen sind angehalten, die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Corona einzuhalten. Dadurch verändert sich Seelsorge. Anne Heimendahl ist Landespfarrerin für Krankenhausseelsorge der EKBO und spricht im Interview über die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Arbeit, die Möglichkeiten der Seelsorge aus körperlicher Distanz und über Veränderungen, die ihr Mut machen.

Wie hat sich durch die Corona-Epidemie die Arbeit in der Krankenhausseelsorge verändert?

Anne Heimendahl: Unsere Arbeit hat sich zum Teil sehr stark verändert. Die Seelsorgenden können sich nicht mehr frei von Station zu Station bewegen, sondern nur nach einem Anruf von Pflegekräften oder Ärzt*innen zu den Menschen gehen, die sie brauchen. Manche Seelsorgende gehören selbst zu einer Risikogruppe. Sie dürfen also gar nicht ins Krankenhaus gehen, sondern müssen zuhause bleiben und sind nur telefonisch erreichbar. Und natürlich müssen auch die Seelsorgenden die Schutzmaßnahmen ergreifen, die alle betreffen. Wir sind ja normalerweise als Seelsorger*innen für die Menschen da, indem wir auch Nähe zulassen. Gerade diese körperliche Nähe ist jetzt nicht möglich. Das wird nochmal dadurch verstärkt, dass Seelsorgende nicht nur eineinhalb Meter Abstand halten, sondern auch einen Mundschutz tragen müssen. Damit verändert sich auch Seelsorge. Es ist trotzdem möglich, den Kontakt aufzunehmen - aber immer mit einer gewissen Distanz.

Gibt es spezielle Maßnahmen, durch die Seelsorgende vor einer Ansteckung geschützt werden?

Heimendahl: Seelsorgende schützen sich im Grunde wie alle anderen auch: durch regelmäßiges Händewaschen und einem Abstand zum Patienten von ungefähr zwei Metern. Darüber hinaus tragen die Seelsorger*innen einen Mund-Nasenschutz. Es geht ja nicht nur darum, selbst geschützt zu sein, sondern auch darum, mein Gegenüber zu schützen. Ein Problem für uns ist, dass es in manchen Kliniken schon jetzt zu wenig Schutzmaterial gibt. Natürlich haben erst einmal die Mitarbeiter*innen in den medizinischen Berufen Vorrang.

"Gottesdienste werden aus Kapellen oder Räumen der Stille direkt in die Krankenzimmer übertragen"

Welche Medien nutzen Sie jetzt in der Seelsorge, um Patient*innen zu erreichen?

Heimendahl: Das Telefon ist Medium Nummer Eins. Es ist derzeit das sicherste Kommunikationsmittel und wir können „da“ sein, auch wenn wir zu bestimmten Menschen, zum Beispiel in den Altenpflegeheimen, nicht gehen dürfen. Außerdem haben wir die sogenannte Übertragungsanlage wiederentdeckt, das heißt, Gottesdienste werden aus Kapellen oder Räumen der Stille direkt in die Krankenzimmer übertragen. Darüber hinaus weisen wir auf Fernseh- und Rundfukgottesdienste hin.

Sie haben das Corona-Seelsorgetelefon mit ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?  

Heimendahl: Die Initiative har sich vor zwei Wochen gegründet, als der Leiter der Notfallseelsorge, der Telefonseelsorge und ich uns überlegt haben, wie wir die Seelsorgenden einbinden können, die jetzt sehr viel mehr von zuhause arbeiten müssen oder nicht mehr in die Krankenhäuser hineindürfen. Tatsächlich dürfen wir auch nicht mehr ins Altenpflegeheim hinein, es sei denn zur Sterbebegleitung. Es gibt also freie Kapazitäten und einen hohen Bedarf an Seelsorge. Wir habe eine zentrale Nummer eingerichtet, Anrufe werden auf die Telefone der Seelsorgenden umgeleitet. Wir brauchen kein Büro, wir müssen unser privates Umfeld nicht verlassen, stattdessen müssen wir dafür sorgen, dass es zuhause einen geschützten Raum gibt und dass wir dann in der Stunde, in der wir eine Schicht übernehmen, ganz Ohr sind. Und Anrufe kommen zunehmend rein.  Wir erhalten rund 15 Anrufe am Tag. Die Gespräche dauern zurzeit zwischen 15 Minuten und eineinhalb Stunden. Die Anrufer*innen sind oft Menschen mit Existenzsorgen, die sich vor den Auswirkungen der Krise fürchten.

"Wir denken darüber nach, wie wir dazu beitragen können, dass möglichst wenig Menschen im Sterben allein sind"

Haben Seelsorgende momentan überhaupt Zugang zu Coronapatient*innen?

Heimendahl: Soweit ich weiß, gibt es bislang kaum direkten Kontakt. Die Seelsorgenden, die Coronapatient*innen in ihrem Krankenhaus haben, zum Beispiel in der Charité in Berlin, erzählten mir, dass sie dorthin bisher nicht gerufen wurden.

Vermutlich werden in den nächsten Wochen auch vermehrt Menschen auf Corona-Stationen sterben. Wie bereiten Sie sich auf diese Situation vor?

Heimendahl: Wir überlegen, wie wir Angehörige begleiten können, die nicht zu den Sterbenden gehen dürfen. Schon jetzt sind die An- und Zugehörigen offen und dankbar dafür, dass sie über die Seelsorger*innen Kontakt zu ihren Lieben aufnehmen können. Und wir denken darüber nach, wie wir dazu beitragen können, dass möglichst wenig Menschen im Sterben allein sind. Dazu gibt es Überlegungen, ob wir auch Gemeindepfarrer*innen in die Sterbebegleitung beziehungsweise Trauerbegleitung einbinden können und wollen. Zudem haben wir überlegt, was wir an kleinen Texten, sei es ein Segen oder ein Gebet, den Pflegekräften für die Abschiednahme zur Verfügung stellen können. Auch jetzt sterben ja täglich Menschen an Altersschwäche oder an schweren Erkrankungen. Und die werden in den Hintergrund rücken, wenn es akut wird. Wir müssen für diese Menschen sorgen und gucken, was noch möglich ist und wie wir auch das Pflegepersonal auf diese Not aufmerksam machen können. Schließlich gibt es schon Initiativen, auch für Pflegekräfte ein eigenes Seelsorgetelefon zu installieren. Ich wäre froh, wenn wir sie in dieser außerordentlich belastenden Zeit ebenfalls begleiten könnten.

Hat sich der Kontakt mit Ärzt*innen und Pflegepersonal durch die Krise verändert?

Heimendahl: Der Kontakt ist ausgesprochen gut und nah. Äußerungen wie: „Ach, Sie sind ja noch da. Wie gut!“ tun uns gut. Ärzt*innen und Pflegende sind unheimlich dankbar für die Unterstützung. Es ist eine hohe Solidarität untereinander da, ein konzentriertes, gutes Miteinander.

Was macht Ihnen Mut, wenn Sie auf die nächsten Wochen blicken?

Heimendahl: Der Gedanke, dass sich die Erde gerade von uns erholt und die Schöpferkraft durchbricht. Ich bin sehr gespannt, wie die Erde in drei Monaten oder einem halben Jahr aussieht, und was von dem Guten, das wir gerade neben allem Erschreckenden auch erleben, bleiben wird und Altes ablöst. Die Solidarität untereinander, das Entdecken von Glaubenskräften, das Gottvertrauen, die tiefen existentiellen Fragen… Auch sonst werden sie in krisenhaften Situationen im Krankenhaus gestellt, aber jetzt sind sie noch viel stärker als sonst präsent: Was trägt mich? Wofür leben wir eigentlich? Haben wir die richtigen Prioritäten? Was ist lebensfördernd vor dem Hintergrund des Todes? Ich glaube, das rüttelt eine Menge Menschen auf. Und das macht mir Mut.

Was wird die Krankenhausseelsorge aus dieser Erfahrung mitnehmen?

Heimendahl: Das kann ich so genau noch gar nicht sagen. Wir probieren ja vieles aus und gucken nach digitalen Möglichkeiten, auch die Chatseelsorge wird ausprobiert. Hinterher wird sich die Frage stellen, wie viel Ressourcen wir dann für Dinge haben, die momentan in der Not möglich sind. Ich glaube aber, was bleiben wird - nicht bei uns Krankenhausseelsorgern, denn das wissen wir schon, aber sonst – ist die Erkenntnis, dass die Seelsorge die zentrale Kernkompetenz von Kirche ist, die unsere Gesellschaft braucht.