Expertin: Corona-Krise trifft Wohnungslose hart
22.03.2020
epd
epd-Gespräch: Jana-Sophie Brüntjen

Berlin (epd). Die Corona-Krise verschlechtert nach Einschätzung von Hilfsstellen die schwierige Situation von Wohnungslosen weiter. "Der Alltag dieser Menschen ist momentan noch bedrohlicher als sonst", sagte Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Die Einschränkungen in der Bereitstellung von Lebensmitteln, ärztlicher Versorgung und Tageseinrichtungen werfe die Menschen noch mehr auf sich zurück.

Die Wohnungslosenhilfe könne vielerorts gar nicht oder nur begrenzt tätig werden, sagte Rosenke: "Die Beratungsstellen sind zwar in der Regel noch geöffnet, aber fahren ihr Angebot herunter." Stärkere Einschnitte gebe es in den Tagesstätten: Diese seien normalerweise sehr voll, die nötigen Sicherheitsabstände könnten so nicht gewährleistet werden. Einige Einrichtungen müssten daher schließen. Dazu kämen personelle Schwierigkeiten: "Die Wohnungslosenhilfe gilt in den meisten Bundesländern nicht als kritische Infrastruktur, weswegen es keine Notbetreuung für die Kinder der Mitarbeiter gibt", kritisierte Rosenke.

Für die Tagesstätten sei es schwierig, noch Mahlzeiten an die Hilfsbedürftigen auszugeben. "Verschärft wird das dadurch, dass auch viele Tafeln schließen." Unter den Wohnungslosen seien zudem viele, die kein Einkommen hätten und auf Flaschensammeln, Betteln oder den Verkauf von Obdachlosenzeitungen angewiesen seien - Geldquellen, die jetzt wegbrechen.

Die Ausbreitung des Coronavirus erschwere die medizinische Versorgung von Wohnungslosen zusätzlich, sagte Rosenke. Viele Anlaufstellen beschränkten sich inzwischen darauf, Medikamente auszugeben. Gründe dafür seien zum einen fehlende Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, zum anderen das Alter der in der Regel ehrenamtlichen Helfer: "Dort arbeiten oft Ärzte und Pflegekräfte im Ruhestand, die jetzt selbst zur Corona-Risikogruppe gehören."

Ausweichmöglichkeiten für die Wohnungslosen gebe es nicht, sagte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft. Die niedergelassenen Ärzte hätten schließlich schon genug zu tun. Besonders kritisch werde das dadurch, dass die Menschen aufgrund von Vorerkrankungen bereits unabhängig vom Coronavirus besonders gefährdet seien. Zudem könnten sie die empfohlenen Schutzmaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen oder Isolation in der eigenen Wohnung nicht einhalten.

In den Notunterkünften fehlte es an Platz, um Menschen notfalls unter Quarantäne zu stellen. "Das ist ein Teufelskreis, der dringend unterbrochen werden muss und zwar schnell", forderte Rosenke.