Kerze am Sterbebett
© epd-bild/Werner Krüper
Pflegeheime sind zum Schutz vor Ansteckungen abgeriegelt, Angehörige kommen nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zu einander.
Einsamer Tod, einsame Trauer
Wo die Corona-Krise Mitmenschlichkeit einschränkt
So bitter es ist: Gestorben wird immer. Doch der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod wandelt sich. Dass dieser Wandel auch äußeren Zwängen unterworfen sein kann, zeigt sich an der Corona-Pandemie und den Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
24.03.2020
epd
Björn Schlüter

Tod und Sterben gehören für Trauerberater Jean-Paul Beffort zu Geschäft. Er ist Profi und doch steht er der aktuellen Corona-Krise ratlos gegenüber. "Der Umgang mit dem Lebensende hat sich durch Zwänge grundlegend geändert", sagt er. Pflegeheime seien zum Schutz vor Ansteckungen abgeriegelt, Angehörige kämen nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zu einander: "Menschen sterben dadurch einsamer - das ist eine schreckliche Situation." Sowohl für die Sterbenden als auch für die Angehörigen sei es momentan besonders schmerzlich, keinen richtigen Abschied nehmen zu können. "Da brechen ganz elementare Rituale weg."

Bei ihm hätten sich bereits Menschen gemeldet, die mit Schuld- und Schamgefühlen zu kämpfen hatten, berichtet der Therapeut. "Jemand wollte beispielsweise bis zum Schluss bei einer geliebten Person sein und fühlte sich wegen der Zwangslage dieser Chance beraubt, da er nicht in der Einrichtung übernachten durfte." Genauso gebe es belastende Situationen, wenn sich etwa ein entfernter Freund aufgemacht habe, einen Sterbenden ein letztes Mal zu sehen. "Teils warten Sterbende auf solche Personen, die nun eventuell nicht mehr zu ihnen kommen können", erklärt Beffort. "Für die Trauerbewältigung ist das eine Katastrophe."

Für Karina Eggers von der Diakonie Osnabrück wären verschlossene Türen in einem Sterbefall ein Horrorszenario. "Wir versuchen in unseren Einrichtungen möglich zu machen, was möglich ist", sagt die Sprecherin. Sie hoffe, dass überall im Land mit ähnlicher Umsicht gehandelt wird. In dringenden Fällen dürften enge Angehörige zu Bewohnern stationärer Pflegeheime - ähnlich, wie es im Bereich der Palliativmedizin Möglichkeiten für Besuche gebe. "Das Personal würde im Falle eines Falles auch Familien benachrichtigen." Allerdings müssten die Angehörigen etwa durch einen separaten Eingang die Pflegeheime betreten, hygienische Regeln befolgen und sich strikt von anderen Bewohnern fernhalten.

Doch bei Sterbenden hören die Einschränkungen nicht auf. Auch Trauerfeiern sind zurzeit nur sehr begrenzt möglich. Elke Herrnberger vom Bundesverband Deutscher Bestatter sieht dort besonders für alte und kranke Menschen große Ansteckungsgefahr, "weil natürlich Umarmungen erfolgen und Tränen fließen. Hier werden somit unmittelbar Körperflüssigkeiten ausgetauscht." Der Verband empfiehlt Trauerfeiern nur noch für maximal 25 Personen. Tatsächlich gehen die Vorgaben von Kommunen und auch von vielen evangelischen Kirchen inzwischen deutlich weiter.

Nur engster Familienkreis

So spricht beispielsweise die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers als größte Landeskirche Deutschlands zurzeit die Empfehlung aus, dass Trauerfeiern ausschließlich am Grab auf dem Friedhof und im "engen Familienkreis" begangen werden. "Wir gehen dabei von einem Kreis von etwa zehn Personen aus", heißt es auf der aktuellen Internetseite der Landeskirche zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Die Evangelisch-reformierte Kirche in Leer lässt an Trauerfeiern am Grab nur noch die Lebenspartner der gestorbenen Person, Kinder ohne Partner sowie die Eltern des oder der Toten teilnehmen.

Auch in der braunschweigischen Landeskirche sind Trauerfeiern nur noch im allerkleinsten Kreis unter Beachtung der verschärften Hygienevorschriften möglich. Sprecher Michael Strauß sagt angesichts dieser Herausforderungen: "Eine würdige Bestattung sowie eine seelsorgerliche Begleitung der Trauernden müssen gewährleistet bleiben." Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig betont: "Eine würdevolle Grablegung ist vom postmortalen Persönlichkeitsrecht geschützt. Es wäre nicht hinnehmbar, die leiblichen Überreste Verstorbener teilnahmslos verscharren lassen zu müssen."

Trauerbegleiter Beffort erlebt ganz praktisch, wie Trauernde sich mit den Einschnitten arrangieren: "Da müssen Familien jetzt harte Entscheidungen treffen, wer direkt mit ans Grab darf." Er selbst habe Rückmeldungen, dass Menschen ihm sagten, zur Trauerfeier wolle das ganze Dorf kommen, also warteten sie mit der Urne erst einmal Corona ab. "Aber das geht nicht bei Erdbestattungen. Und ein verzögerter Abschied macht es nicht leichter, die Trauer zu bewältigen."