Hallo du! Du stiegst in Köln Hbf um 15.49 Uhr in den Zug aus Aachen nach Paderborn ein. Ich saß bereits in kurzen Hosen und mit meinem grün-blau-gemusterten Koffer auf der Treppe zur 1. Klasse, da die 2. Klasse so voll war. Du hattest einen Anzug an, ein Subway-Sandwich in der Hand und hast einen riesigen schwarzen Koffer hinter dir hergezogen. Schon da im Gang hatten wir Blickkontakt."
###mehr-artikel###
Diese Worte stehen auf der Internetseite www.will-dich-wiedersehen.de: Die Autorin nennt sich "Buttontasche", weil ihre unbekannte Zugbekannschaft sich fast den Hals verrenkte, um die Buttons auf ihrer Tasche lesen zu können, wie sie schreibt. Ansonsten haben sich die zwei angerempelt und angegrinst. Die Begegnung war magisch. Buttontasche sucht nun nach ihrem Flirt. Denn: "Dann warst du auf jeden Fall viel schneller weg als gedacht und ich habe viel zu spät realisiert, dass ich nicht mal deinen Namen weiß." - "Will-dich-wiedersehen" ist ein Internetportal, auf dem kostenlos Anzeigen aufgegeben werden, um nach spontanen Bekanntschaften zu suchen, bei denen es versäumt wurde, nach Kontaktdaten zu fragen. Das Forum ist in verschiedenen Kategorien eingeteilt, wie zum Beispiel "im Zug", "im Auto" oder "auf einem Fest". Fast ausschließlich geht es um Flirts.
Die lange Suche nach dem zweiten Zusammentreffen
Wenn sich Zufallsbekanntschaften tatsächlich wieder treffen, sind sie natürlich noch längst kein Paar. Umso erstaunlicher ist es, dass Michael und Denise W. sogar schon seit zwei Jahren verheiratet sind – "und bevor wir zusammen gekommen sind, hat Micha mich auch durch so ein Portal gesucht", sagt die 31-jährige Denise. Kennengelernt haben die beiden sich nämlich am Berliner Flughafen Tegel, in der Warteschlange beim Check-In. "Mir ist sofort ihr Lächeln aufgefallen", sagt Michael: "Ich habe sie einfach gefragt, ob sie auch nach London fliegt und schon waren wir im Gespräch."
Gut 20 Minuten redeten sie über alles Mögliche und entdeckten neben der großen Sympathie füreinander auch, dass sie beide gerne Salsa tanzen. "Aber über unsere Nachnamen haben wir nicht geredet, und Nummern haben wir auch nicht ausgetauscht", sagt Michael. Im Flieger nach London habe er viel an Denise gedacht. Daraufhin suchte er sie im Internet. "Es gibt da so ein Portal speziell für Berliner Singles, da habe ich es zuerst probiert. Aber keine Chance – da gibt ja kaum jemand seinen richtigen Vornamen an." Dann hat er es in den lokalen Salsaschulen versucht. Er wusste, sie wohnt in Kreuzberg. Auf einer Tanzschulparty hat er sie tatsächlich wieder gefunden.
Wiedersehens-Portale" im Internet sollen das Glück herausfordern
Eine amerikanische Variante für das Widerfinden von Zufallsbekannschaften im Flugzeug findet sich auf der Website www.wemetonaplane.com ("Wir trafen uns in einem Flugzeug"). Der Amerikaner Will Scully-Power gründete das Projekt gerade erst im Januar. Die Seite wurde seiner Auskunft nach in den ersten 30 Tagen 20.000-mal aufgerufen, wobei 30 Prozent der User länger als zehn Minuten auf der Website verweilten. Über 100 Einträge habe es bereits einen Monat nach der Gründung des Portals gegeben.
Der Portal-Gründer räumte Medien gegenüber aber selbst ein, dass die Erfolgsquote von sich Findenden gering sei. Ein paar vereinzelte, schon einige Jahre alte Erfolgsmeldungen stehen auch auf der Website "Will-dich-wiedersehen": Eine Frau hat ihre Spielgefährtin aus Kindertagen wieder gefunden, eine andere Frau ihren Flirt – allerdings erst nach Wochen bei der Internet-Single-Kontaktbörse "Flirt.de".
Wiechers: Wahrscheinlicher sei es vom Blitz getroffen zu werden, als sich wiederzufinden
Im Vergleich zu den normalen Kennenlern- und Kontaktbörsen in Internet seien die Wiedersehensportale eben nicht sonderlich bekannt, sagt Henning Wiechers, Inhaber der Kölner Agentur für Internet-Service und Online-Dating metaflakes. "Vielleicht 3.000 Menschen im Jahr nutzen diese Art von Kontaktbörsen", schätzt der Diplom Wirtschaftsinformatiker.
Es gibt einige verschiedene Webseiten, auf denen Personensuchanfragen nach spotanen Begegnungen aufgegeben werden können, so Wiechers. Sie haben Namen wie "Nicht angesprochen", "Verlorener Flirt" oder "WildeSeite.de". Die Auswahl an Seiten mindere natürlich die Erfolgsausssichten eines Wiederfindens, erläutert der Datenverarbeitungskaufmann: Wenn ein Mann beispielsweise im Auto mit einer Frau flirte und sie später wiedersehen wolle, würde er nicht wissen, auf welcher Website er suchen solle. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn der Blitz trifft, ist wohl größer, als dass die Richtige die Anzeige liest."
Viele gehen lieber den Weg über eine klassische Anzeige
Dennoch nutzen einige, die sich bei einer besonderen Begegnung verguckt haben, die Foren. Manche schätzten wohl die Aussicht auf Erfolg falsch ein, mutmaßt Wiechers. Er findet aber auch: "Na klar, es ist romantisch." Dennoch empfiehlt er allen Singles bei solchen magischen Begegnungen – "Die es immer gab und immer geben wird." – sich einfach zu trauen und nach der Handynummer zu fragen.
Wiechers Agentur metaflakes betreibt die Website "www.singleboersen-vergleich.de", auf der Internet-Kontaktanzeigen-Portale im Vergleich gelistet, getestet und bewertet sind. Die Wiedersehens-Kontakt-Portale seien alle kostenlos. "Doch eben auch kaum frequentiert und sie verschwinden häufig schnell wieder aus dem Netz", so Wiechers. Rund 68 Prozent der Singles im Internet wählen Erhebungen zufolge allerdings den Weg über die klassische Anzeige, um in Kontakt zu treten. Die vier größten Portale heißen "FriendScout24", "neu.de", "Dating-Café" und "Flirt-Café".
Lokaler Bezug erhöht die Chance eines Wiedersehens
Einen Vorteil, um trotz aller Widrigkeiten doch seinen Zufalls-Flirt durch ein Online-Kontaktportal wieder zu finden, bieten Websites auf denen die Gesuche wenigstens nach deutschen Städten sortiert sind. Wenn auf www.brizzl.de der Nutzer "Nordschlupf" die hübsche Blondine sucht, die mit ihrer Freundin in der Hamburger Bar "Roschinkys" etwas trinken war, ist es möglich, dass sie sich meldet. Wenn auf der internationalen Site bei www.missedconnections.com Menschen aus der ganzen Welt nach Personen in London, New York oder Chicago fahnden, sind ihre Chancen statistischen Überlegungen zufolge äußerst gering. Doch auch Nordschlupf schreibt: "Wäre jetzt überrascht, wenn Du das hier lesen würdest und auch noch Antworten würdest."
Ein lokales Angebot gibt es auch auf der Website der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) . Dort können Fahrgäste Mitreisenden eine Nachricht schreiben, die ihnen sympathisch waren. Die Nutzerin Chrissi sucht beispielsweise ihren "strahlenden Busfahrer", den sie auf der Linie M85 schon zum zweiten Mal gesehen hat. Sie schreibt: "Hab es wieder vermasselt. Hab mich nicht getraut, Dir meine Handynummer zu geben."
Auch in Gießen gibt es eine Chance für ein Sich-Wiedersehen, da der Lokalbezug gegeben ist: Maja Waldner besucht dort die Universität und wenn sie mit ihren Freundinnen zwischen den Vorlesungen auf dem Campusgelände sitzt, um eine Pause zu machen: "Da gucken wir Mädels immer gerne wegen der Suche-Unbekannt-Anzeigen in den Gießener Express. Wir hoffen immer, dass uns auch mal ein Mann gesehen hat und treffen will." Sie halte es für möglich, dass sich auf diese Weise Menschen wieder finden können. "In Gießen lesen viele das Blatt und online gibt es die Anzeigen auch." Mit Lokalbezug kann das Sich-Finden funktionieren, meint auch der Internet-Experte Wiechers. In den Köpfen der Menschen müsse das Denkmuster bestehen: "Ich habe im Bus geflirtet und dann gucke ich auf dieser einen bestimmten Website nach."
(Dieser Artikel wurde im April 2012 erstmals veröffentlicht.)