Oldenburg (epd). Ein möglicher Prozess gegen frühere Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel verzögert sich weiter. Zwar habe die Vertreterkammer des Landgerichts Oldenburg einen Antrag der Verteidigung auf Ausschluss des Vorsitzenden Richters Sebastian Bührmann und seiner beisitzenden Richter zurückgewiesen, teilte Gerichtssprecher Torben Tölle am Montag mit. Doch hätten die Verteidiger dagegen nun Beschwerde beim Oberlandesgericht Oldenburg eingelegt. Dabei sei noch gar nicht entschieden, ob die Anklagen überhaupt zugelassen werden. Die Gefahr einer Verjährung der möglichen Straftaten bestehe jedoch noch lange nicht.
Die Verteidiger von Högels früheren Vorgesetzen hatten Anfang Februar argumentiert, dass Bührmann in den bisherigen Prozessen gegen Högel als Vorsitzender Richter "entscheidungserhebliche Kenntnisse" erlangt habe. Darum komme er als Zeuge in Betracht. Ein Zeuge könne jedoch nicht zugleich Richter sein. Tölle zufolge sieht die Vertreterkammer darin jedoch kein Problem. Im Zweifel könnten andere Zeugen befragt werden, die ebenfalls den Prozess gegen Högel verfolgt hätten.
Doch selbst wenn das Oberlandesgericht nach erneuter Prüfung ebenfalls keinen Ausschlussgrund sehe, müsse es noch über weitere Anträge der Verteidiger entscheiden, erläuterte Tölle. Die Anwälte seien besorgt, Bührmann könne befangen sein. Erst wenn alle Anträge abschließend entschieden seien, könne über die Zulassung der Anklage entschieden werden. Dafür müssten dann die bereits eingegangenen insgesamt 21 Schriftsätze der Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger mit 1.200 Seiten sowie weitere elektronische Dateien rechtlich gewürdigt werden.
Der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel war im Juni 2019 wegen 85-fachen Mordes an Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger wollen erreichen, dass sich auch fünf seiner früheren Vorgesetzten wegen Totschlags durch Unterlassen vor Gericht verantworten müssen. Nach einer ersten rechtlichen Bewertung des Landgerichts vom Dezember 2019 wird die Anklage jedoch allenfalls teilweise zugelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Vorgesetzen im Klinikum Oldenburg vor, Högel trotz eines Verdachts nicht gestoppt zu haben, weil sie um den Ruf ihrer Abteilung und ihres Klinikums besorgt waren.