Es ist das größte Kompliment, das Andreas Stoch von diesem Nachmittag mitnehmen kann: "So weit hab' ich noch gar nicht gedacht", sagt Felix nachdenklich-zufrieden am Ende eines lockeren, aber intensiven Gesprächs über die Frage, ob es Gott gibt oder nicht. Unterrichtsthema für die dreizehn Konfirmanden im Gemeindehaus in Heilbronn-Biberach sind "Gottesbilder". Und ihrem Pfarrer Erhard Mayer assistiert diesmal Andreas Stoch, Fraktionsvorsitzender der SPD im baden-württembergischen Landtag, quasi als Kurzzeitpfarrer.
In einem Kreis liegen Thesen auf dem Boden vor den Jugendlichen. "Gott ist in mir drin", heißt es da. "Gott ist da, wo Menschen hoffen", oder auch "Gott ist tot". Felix hat sich mit einer kleinen Gruppe für "Gott kennt meinen Weg" entschieden. Ihm gegenüber steht Jonathan allein vor "Gott gibt es nicht". Heiterkeit, gemischt mit Staunen über den Mut, zu seinem Zweifel zu stehen. Und dann plötzlich ein intensives Gespräch untereinander über Gott, den man nicht anfassen kann, nicht sieht oder hört, und der doch irgendwie wirkt.
Gespräche auf Augenhöhe
Auch Felix, der von Gottes leitender Wirkung ganz selbstverständlich überzeugt ist, kennt Situationen des Zweifels. "Wenn ich mit jemandem Streit habe, geht Gott da nicht hin, um das wieder in Ordnung zu bringen. Ich muss das selbst tun", sagt er. Ist Gott also in der Krise nicht da, untätig? Das Gefühl kann aufkommen. Stoch wirft ein: "Und was, wenn es Gott ist, der den Impuls gibt für die Kraft, um Vergebung zu bitten, und die Offenheit, die Bitte anzunehmen - was Versöhnung erst möglich macht?" Ein Sekundenbruchteil Stille im Raum - und dann Felix, als ob er für alle sprechen würde: "So weit hab' ich noch gar nicht gedacht".
Andreas Stoch ist schon in viele Berufsrollen geschlüpft in den vergangenen Monaten. Sein Projekt "Stoch packt's an ..." ist zum Selbstläufer geworden: Er war Altenpfleger, Bäcker, LKW-Fahrer, Bodenseefischer, Schornsteinfeger, Fahrradkurier oder Tafel-Mitarbeiter. "Ich will in Ecken sehen, in die der erste Blick nicht geht. Und ich will wissen, worüber ich entscheide", sagt Stoch. Wer kann sich vorstellen, was es bedeutet, als Pseudo-Selbstständiger Pakete auszuliefern - bei drei Euro Stundenlohn und Übernachtung im Lieferwagen? "Solche Erfahrungen aus der Praxis geben mir die Energie, das so nicht zu lassen", sagt der Jurist. Außerdem seien Gespräche auf Augenhöhe leichter möglich in der Arbeitskluft als im Anzug. "Und ich will zeigen, dass Politik nicht abgehoben ist."
Der ehemalige baden-württembergische Kultusminister ist überzeugt vom Konzept Konfirmandenunterricht - nicht nur weil seine jüngste Tochter dieses Jahr auch konfirmiert wird und ihn sein eigener Konfirmationsspruch bis heute begleitet. Ihn begeistert die offene Atmosphäre des Unterrichts und die bunt gemischte Gruppe, in der sich alle irgendwie akzeptieren.
Außerdem sei es gerade in dem Alter wichtig, "in dem die Jugendlichen doch sehr mit sich selbst beschäftigt sind", sie aus der Reserve zu locken und ins Gespräch zu bringen über Werte, verantwortetes Tun und den Glauben. "Ich habe diese Jugendlichen hier in einer ehrlichen Auseinandersetzung erlebt, nicht inszeniert, überraschend klar positioniert", freut er sich. Das mache Mut für die Zukunft der gesamten Gesellschaft.