Neu-Delhi, Guwahati (epd). Im Kampf gegen Kinderarbeit und Ausbeutung hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) an die Verantwortung der Unternehmen und Verbraucher appelliert. "Es kann nicht sein, dass wir Kleider auf unserer Haut tragen, in denen Kinderarbeit steckt", sagte er am Freitag bei einem Treffen mit dem indischen Kinderrechtsaktivisten und Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi in Neu-Delhi. Weltweit würden noch immer Menschen für den europäischen Konsum ausgebeutet, sei es auf Plantagen oder in Fabriken.
Auch in Schwarztee in deutschen Supermärkten stecke nach wie vor Kinderarbeit, erklärte die Stiftung Childaid Network bei einem Besuch Müllers auf einer Teeplantage im indischen Unionsstaat Assam. "Sie können davon ausgehen, dass hier etwa 20 Prozent der Zehnjährigen arbeiten", sagte Stiftungsvorstand Martin Kasper dabei dem epd. "Bei den 15-Jährigen sind es schon rund die Hälfte." In den Plantagen Assams "gibt es natürlich noch Kinderarbeit", betonte Kasper. "Aber die arbeiten selbstverständlich nicht, wenn der Minister kommt."
Die Kinderarbeit sei auch auf den Teeplantagen aus der Not geboren: Wenn die dort beschäftigten Mütter für ihre Arbeit nur einen Tageslohn von 1,50 Euro bekämen, hälfen die Töchter mit, um das Gehalt aufzustocken, erklärte der Stiftungsvorstand. An Schule sei dabei nicht zu denken.
Müller würdigte Friedensnobelpreisträger Satyarthi als Vorreiter, der das Thema Kinderarbeit weltweit auf der Agenda halte. Beim "Grünen Knopf", dem staatlichen deutschen Nachhaltigkeitssiegel für Textilprodukte, sei Satyarthi sein Vorbild gewesen, sagte der Minister. Der Aktivist hatte schon vor Jahrzehnten prominent die Kinderarbeit in der Teppichindustrie angeprangert und so einen Wandel eingeleitet. Die von ihm gegründete Organisation Bachpan Bachao Andolan hat in den vergangenen 30 Jahren bereits Zehntausende Kinder von erzwungener Kinderarbeit befreit - aus Steinbrüchen, Ziegeleien, ausbeuterischer Hausarbeit und Landwirtschaft - und vor Kinderhandel und Kinderprostitution gerettet. Schätzungen zufolge gibt es allein in Indien zwölf Millionen illegal arbeitende Kinder.
Childaid Network holte mit seinen Partnerorganisationen vor Ort allein in Assam in den vergangenen Jahren rund 30.000 Jugendliche, die wegen ihrer Kinderarbeit nie Lesen und Schreiben lernten, aus Plantagen und entlegenen Dörfern und alphabetisierte sie. Von extrem ausbeuterischer und gesundheitsgefährdender Arbeit befreit hat die Stiftung auch Kinder in Steinbrüchen und -mühlen am Rand der Metropole Guwahati. Das alles gehe jedoch nur, wenn die Familien und Gemeinden mitmachten, erklärte Kasper. Denn schließlich fehlten dann die Arbeitskräfte. Mit Hilfe von Sozialarbeitern funktioniere dies aber in den meisten Fällen.
"Die Eltern engagieren sich oft selbst und sorgen dafür, dass die Kinder zur Schule gehen und die Jugendlichen zu Nachschulungskursen. Weil die Mütter selbst gemerkt haben, wie schnell sie ohne Lesen und Schreiben an ihre Grenzen kommen." Allein in den Teeplantagen seien mehr als 90 Prozent der Pflückerinnen Analphabetinnen.
Müller betonte die Bedeutung einer fairen Bezahlung für die Arbeiterinnen und Arbeiter. "Wenn die Eltern von ihrer Arbeit nicht leben können, dann müssen die Kinder einspringen", sagte der Minister. Auch die Deutschen könnten sich dem entgegenstellen: Wenn jeder an Ostern fair produzierte Schokohasen kaufe, kämen zig Millionen Euro mehr bei den Kakaobauern in den Herkunftsländern an.