Bonn (epd). Die Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Almut Schnerring fordert eine gerechtere Verteilung und größere Wertschätzung von Sorge-Arbeit in Familien und im Beruf. "Gleich ob in sozialen Berufen, in der Familie oder im Ehrenamt, es sind überwiegend Frauen, die Care-Arbeit leisten", sagte Schnerring dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn. Der von ihr initiierte Equal Care Day wirbt am Samstag mit bundesweiten Aktionen in rund 30 Städten für mehr finanzielle Anerkennung von Sorge-Arbeit und eine gerechtere Rollenaufteilung zwischen Männern und Frauen.
Allein 84 Prozent der beruflichen Care-Arbeit, etwa in der Kranken- und Altenpflege oder Kinderbetreuung, werde von Frauen geleistet, sagte Schnerring. "Es ist kein Zufall, dass man gerade in diesen Berufen wenig verdient." Zugleich seien Frauen auch im privaten Bereich diejenigen, die sich überwiegend um Kinder, Haushalt oder Pflegebedürftige kümmerten.
Laut dem zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2017 leisten Frauen durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Familien- und Sorgearbeit als Männer. Allerdings bezieht diese Berechnung auch Singlehaushalte und kinderlose Paare ein. In Familien mit kleinen Kindern steige die Diskrepanz im Extremfall auf 110 Prozent oder täglich zweieinhalb Stunden, die Frauen mehr an Sorge-Arbeit leisteten, heißt es in dem Bericht.
"Unser ganzes Wirtschaftssystem baut darauf auf, die ganze Kümmer-Arbeit überwiegend kostenlos zu nutzen", kritisierte Schnerring. Das Potenzial, das Frauen umsonst zur Verfügung stellten, ermögliche wirtschaftliche Gewinne, werde aber nicht entsprechend anerkannt. Die Care-Arbeit von Frauen bleibe dadurch überwiegend unsichtbar. "Eine Folge davon ist, dass Frauen im Alter ein sehr viel größeres Armutsrisiko haben."
Das "Care-Gap", also die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen bei der Sorge-Arbeit, sei als Problem noch gar nicht richtig erkannt, stellte Schnerring fest. Mit dem 2016 erstmals begangenen Equal Care Day gehe es ihr und ihren Mitstreitern vom Trägerverein klische*esc darum, eine Diskussion über mögliche Lösungen anzustoßen. Ein Vorschlag von ihnen ist ein Care-Konto oder ein Punktesystem für jeden Bürger. Ziel müsse sein, dass Menschen nicht finanziell benachteiligt würden, wenn sie in soziale Berufe gingen oder für Kindererziehung und Pflege beruflich zurücksteckten, sagte Schnerring.
Unter dem Titel "Wege in eine fürsorgliche Demokratie" findet am Freitag und Samstag in Bonn erstmals ein Kongress zum Equal Care Day statt. Er soll einen Forderungskatalog beschließen, der dem Düsseldorfer Landtag und dem Bundestag vorgelegt werden soll.