Die Bäckerei Küttner in Altena-Dahle ist rappelvoll. Die fast 50 Menschen sind an diesem Abend aber nicht wegen Brot oder Kuchen gekommen, sondern wegen einer besonderen Passionsandacht. Unter dem Titel "Brot des Lebens" eröffnet Pfarrer Uwe Krause seine diesjährige Reihe.
"Jesus sagt: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist", sagt Krause in der nach Backwaren duftenden Bäckerei. "Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit." Die Besucher können sich auch ein Stück von dem großen runden "Brot des Lebens" abrechen, das die Bäckersleute extra für diesen Abend gebacken haben.
Kirche im öffentlichen Raum
Unter dem Motto "Unterwegs mit Leidenschaft" bietet der evangelische Theologe bis zum 1. April sechs Passionsandachten der etwas anderen Art: Mit Keyboard und Klapphockern ausgerüstet lädt Krause in seinen Dorf-Gemeinden Dahle und Evingsen bei Altena zu jeweils 45 Minuten Besinnung an ungewöhnlichen Orten ein. "Hart wie Stahl" heißt es etwa in einer metallverarbeitenden Fabrik oder auch "zugerichtet" in einem Friseurladen.
"Die Passionsgeschichte geschieht ja schließlich auch im öffentlichen Raum", erklärt Pfarrer Krause und betont zugleich, dass die Andachten keineswegs einen bloßen Event-Charakter hätten. Sie sind jeweils ein auf ein spezielles Thema zentrierter Gottesdienst. Bereits im dritten Jahr feiern die beiden Dorfgemeinden in dieser Form die Passionszeit.
Schlechter Kirchenbesuch
Schon von Anfang an stießen die Andachten an besonderen Orten auf große Resonanz. "Wir haben immer viel Zustimmung erfahren, bei den Andachtsbesuchern ebenso wie bei den einladenden Firmen und Geschäften", erzählt Krause. "Ich habe eine Viertelstunde rumtelefoniert, und hatte für alle sechs Locations gleich eine Zusage". Die Leute seien offen und selber von der Idee angetan.
Anstoß für den örtlichen Umzug aus der Kirche in Stätten der Arbeitswelt war eine zunehmend schwache Resonanz auf die üblichen Passionsandachten. Jetzt kommen sowohl Gemeindemitglieder wie auch weitere Besucher zu den Andachten, die auch in einer Gaststätte ("Thekengeflüster") oder einem Woll-Geschäft ("Purpur-Spott") stattfinden. Mit den außergewöhnlichen "Locations" habe er in seinen beiden Gemeinden so etwas wie "einen Abgesang auf den schlechten Kirchenbesuch" erreicht, sagte Pfarrer Krause nicht ohne Stolz.
Frischer Wind im Sauerland
Ähnliche Beispiele für Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten gibt es auch in den Kirchenkreisen etwa von Dortmund und Bielefeld. Unter dem Stichwort "Fresh X" werden in der westfälischen Landeskirche innovative Kirchenprojekte gefördert. Diese bewusst alternativen Formen stammen ursprünglich aus der Anglikanischen Kirche. Ziel ist es, "den christlichen Glauben für Menschen, die diesem Glauben eher kritisch gegenüber stehen, neu alltagsrelevant zu machen", wie es die "Fresh X"-Bewegung mit dem Theologen Andreas Isenburg vom Institut für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste in Dortmund formuliert.
Man wolle auf diese Weise einfach "eine neue Form von Gemeinde für unsere sich verändernde Kultur anbieten und damit in ein bestimmtes Milieu eintauchen, um Kirche und Gemeinde in einem neuen Kontext Gestalt zu geben". Auch in den benachbarten Sauerland-Dörfern Dahle und Evingsen geht diese Saat ganz offensichtlich gut auf.
"Das Reizvolle ist, dass man den vertrauten Text in einer anderen Atmosphäre, in einem anderen öffentlichen Raum spricht", erzählt der Theologe. Da spreche der Text noch einmal ganz anders an. Durch das Angebot sei auch zwischen den beiden Dorfgemeinden ein besonderer Zusammenhalt entstanden, berichtet Pfarrer Krause. "Eigentlich ticken die beiden Dörfer anders, auch in den Kirchengemeinden." Aber hier hätten beide Gemeinden gleich mitmachen wollen: "Das ist dann richtig ein Dorf übergreifendes Ding geworden."