Nach dem Mordanschlag von Hanau haben am Wochenende bundesweit Tausende Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstriert. Im hessischen Hanau selbst rief am Samstag ein breites Bündnis verschiedener Gruppen zu einer Kundgebung auf. Redner äußerten sich bestürzt und wütend über die rassistisch motivierten Morde vom Mittwoch. Im Anschluss setzte sich ein Demonstrationszug durch die Stadt in Bewegung, der zu einem der Tatorte führte.
"Wir dürfen den Täter nicht pathologisieren", sagte Patrucija Kowalska von der Kampagne "Kein Schlussstrich" aus München. Die Planung und die Tat des Mörders seien einer perfiden Logik rechter Terroranschläge an anderen Orten gefolgt. Ursachen dieser Gewalt seien Rassismus und Antisemitismus.
In der Nacht auf Donnerstag hatte der 43jährige Tobias R. im südhessischen Hanau neun Menschen erschossen. Er und seine 72 Jahre alte Mutter wurden anschließend tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Der Generalbundesanwalt sprach von einer "zutiefst rassistischen Gesinnung" des mutmaßlichen Täters.
"Die Solidarität hilft uns"
In Hanau äußerten sich am Samstag auch Familienmitglieder der Opfer zu den Morden. Die Tat sei ein barbarischer Akt und ein Angriff auf die ganze Gesellschaft, sagte ein Angehöriger. Die Gesellschaft müsse nun zusammenstehen. "Die Wunde wird nicht heilen, aber die Solidarität hilft uns", erklärte ein anderer. "Wir sind alle Opfer geworden", äußerte sich ein weiterer Angehöriger. Auf der Bühne, auf der sich zahlreiche Angehörige versammelt hatten, wurden zudem die Bilder der Ermordeten gezeigt und ihre Namen verlesen.
Den ganzen Tag über legten zudem Hanauer Bürger am Brüder-Grimm-Denkmal auf dem Marktplatz Blumen nieder, entzündeten Kerzen oder gedachten den Toten in Stille. Auch an den beiden Tatorten waren Blumen, Kerzen und Kränze niedergelegt. Vertreter der Kurdischen Gemeinde in Deutschland und der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) hatten zuvor Kränze an den beiden Tatorten niedergelegt.
Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) bezeichnete bei einer Demonstration und Mahnwache im nordhessischen Marburg den Rassismus als "ein ganz alltägliches Gift. "Wir müssen gemeinsam handeln gegen Rassismus", sagte er in seiner Ansprache.
Zwei Tage nach dem Anschlag sind am Freitagabend auch in Nordrhein-Westfalen erneut mehrere tausend Menschen zu Mahnwachen und Kundgebungen gegen Rechts auf die Straße gegangen. In Köln und Düsseldorf kamen jeweils mehr als tausend Menschen zusammen, weitere Demonstrationen gab es unter anderem auch in Dortmund, Bielefeld und Bonn. Am Wochenende waren weitere Veranstaltungen geplant.
Auch der rheinische Straßenkarneval, der am Rosenmontag seinen Höhepunkt erreicht, reagiert auf den rassistisch motivierten Anschlag. Bei den Festveranstaltungen und Umzügen in den rheinischen Karnevalshochburgen soll ebenfalls der Opfer von Hanau gedacht werden, vielfach sind Schweigeminuten vorgesehen. Der Wagenbauer Jacques Tilly kündigte an, für den Düsseldorfer Rosenmontagszug einen eigenen Motivwagen zum Hanauer Anschlag als "Statement der Narren" zu bauen.
Auch in Hannover haben am Freitagabend laut Veranstalterangaben rund 3.000 Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstriert. Mit einer Schweigeminute gedachten sie der Opfer. "Uns verbindet die Trauer und die Fassungslosigkeit", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei einer Mahnwache vor der zentralen Marktkirche der Stadt. Zu den Teilnehmern zählten auch der evangelische Landesbischof Ralf Meister.