Gemeindepfarrer oder politisches Engegement
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Gemeindepfarrer sein oder sich politisch engagieren? Ein politisch aktiver evangelischer Pfarrer oder eine Pfarrerin in Bayern muss wählen, wenn der den Sprung in den Stadt-, Kreis- oder Gemeinderat geschafft ist.
Pfarramt oder Politik?
Ein politisch aktiver evangelischer Pfarrer in Bayern muss wählen: entweder im Gemeinderat sitzen oder predigen. So sieht es das Dienstrecht vor. Der Arbeitskreis Evangelische Erneuerung protestiert dagegen.
20.02.2020
epd
Jutta Olschewski

Thomas Prieto Peral findet es "zunehmend heikel", wenn eine Berufsgruppe generell kein politisches Mandat übernehmen kann. Der 53-Jährige ist der Meinung, politische Verantwortung zu übernehmen stärke wirkungsvoll die Demokratie. Und das sollen Pfarrer nicht dürfen? Denn die gemeinte Berufsgruppe sind die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern. Für sie gilt nach dem Pfarrerdienstgesetz, wenn sie für ein kommunales Parlament kandidieren, müssen sie drei Monate vor der Wahl ihr Pfarramt ruhen lassen. Schaffen Sie den Sprung in den Stadt-, Kreis- oder Gemeinderat, treten sie für die Zeit der Wahlperiode in den sogenannten Wartestand. Ihre Bezüge werden gestrichen.

Thomas Prieto Peral ist auch Pfarrer und er kandidiert bei den Kommunalwahlen in seinem Wohnort Grafrath bei München für die Grünen. Allerdings muss er sein Amt nicht ruhen lassen. Er ist im Landeskirchenamt in München und nicht in einer Gemeinde tätig. Seelsorgern wie ihm legt das Dienstrechtsreferat der Landeskirche das Gesetz großzügig aus, erklärt ihr Sprecher Johannes Minkus auf Anfrage: "Zugunsten der Betroffenen" werde geprüft, "ob ein Ruhen aller ihrer Aufgaben zur Wahrung des politischen Neutralitätsgebotes tatsächlich geboten ist".

Für die Kommunalwahlen am 15. März haben sich in Bayern zwölf evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer als Kandidaten aufstellen lassen. Vier von ihnen sind Gemeindepfarrer, die laut Dienstrecht derzeit ihr Amt ruhen lassen müssen. Eine von ihnen ist Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam, die sich in Augsburg-Göggingen mit ihrem Mann eine Pfarrstelle teilt. Sie steht auf Platz 19 der Augsburger Grünen-Liste für den Stadtrat.

"Es fühlt sich sehr seltsam an", erklärt die Pfarrerin, die derzeit keine Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen halten und auch nicht predigen kann. In Absprache mit dem Dekan dürfe sie aber Besuche bei Gemeindemitglieder machen, sagt Kapp-Kleineidam. Sie fühlt sich in ihren Bürgerrechten beschnitten, "weil ich den Beruf, den ich liebe, nicht ausüben kann", sagt sie.

Unrealistisches Rollenbild

Die Landeskirche argumentiert damit, dass das Kirchengesetz in einem Nebeneinander von Pfarrdienst und politischem Amt ein "Spannungsverhältnis" sehe, wie es Sprecher Johannes Minkus ausdrückt. Es könne das Amt des Gemeindepfarrers beeinträchtigen und die Akzeptanz bei den Gemeindemitgliedern behindern.

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam kandidiert auf der Liste der Grünen für den Augsburger Stadtrat.

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam, die aus Baden-Württemberg stammt und dort erlebt hat, dass selbstverständlich Pfarrer im Stadtrat sitzen, bekommt in ihrer derzeitigen Situation viel Unterstützung. Aber sie hört auch von Freunden, sie könnten die Argumente der Landeskirche gegen Gemeindepfarrer in politischen Ämtern durchaus nachvollziehen. In Bayern seien sie eben damit aufgewachsen, dass Pfarrer nicht im kommunalen Parlament sitzen, erklärt sich das Kapp-Kleineidam.

Kaum Gewissenskonflikte

Reichlich Unterstützung erhalten die freigestellten Pfarrerinnen und Pfarrer vonseiten des Arbeitskreis Evangelische Erneuerung (AEE) in Bayern. "Bürgerrechte und Bürgerpflichten gelten in gleicher Weise für alle", sagte der Sprecher ihres Leitenden Kreises, Willi Büttner, dem Evangelischen Pressedienst. Es sei unrealistisch, von einem Pfarrer eine überparteiliche Rolle zu erwarten, so Büttner.

"Zu meinen, der Pfarrer oder die Pfarrerin müsse darüberstehen, geht an der gelebten Wirklichkeit vorbei." Wer außerdem meine, dass der Betroffene seine Dienstpflichten gegenüber der Gemeinde nicht mehr ausgewogen wahrnehmen kann, gehe davon aus, "dass sich ein Mensch immer nur einer Sache ganz verschreibt und alle anderen Interessen nachordnet", so Büttner. Außerdem: als kirchentreuer Landbewohner würde er sich darüber ärgern, wenn die Kirche meine, ein parteipolitisches Amt könne Gemeindemitglieder ungebührlich beeinflussen.

Dramatische Gewissenskonflikte zwischen Amt und Mandat, glaubt Büttner, könnte es "ungefähr so häufig geben, wie es in einem Pfarrersleben vorkommt, dass man wegen des Beichtgeheimnisses nichts zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen kann".

Würde Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam gewählt - was bei Listenplatz 19 nicht sehr wahrscheinlich ist - würde sie die Wahl annehmen, um sich "für das Wohl der Stadt und die Stadtgesellschaft einzusetzen", sagt sie. Dann müsste ihr Mann beim Kirchenvorstand beantragen, die gemeinsame Stelle ganz übernehmen zu dürfen. Die Pfarrerin sucht in jedem Fall gerade weitere Unterstützung für eine Eingabe an die Landessynode, das Gesetz zu ändern. Das hat sie im Jahr 2014 schon einmal getan. Das Kirchenparlament lehnte damals ab.