Oldenburg (epd). Die möglichen Anklagen gegen frühere Vorgesetzte des verurteilten Patientenmörders Niels Högel verzögern sich. Die Verteidigung fordere unter anderem, Richter Sebastian Bührmann und seine beiden Beisitzer "aus gesetzlichen Gründen" von dem Verfahren auszuschließen, teilte das Landgericht Oldenburg am Mittwoch mit. Bührmann habe in den früheren Prozessen gegen Högel als Vorsitzender Richter "entscheidungserhebliche Kenntnisse" erlangt, so dass er nun als Zeuge in Betracht komme. Ein Zeuge könne jedoch nicht zugleich Richter sein.
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger wollen, dass sich fünf frühere Vorgesetzte des wegen 85-fachen Mordes an Patienten verurteilten Ex-Krankenpflegers Högel wegen Totschlags durch Unterlassen vor Gericht verantworten müssen. Nach einer ersten rechtlichen Bewertung des Landgerichts vom Dezember wird die Anklage jedoch allenfalls teilweise zugelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Vorgesetzen im Klinikum Oldenburg vor, Högel trotz eines Verdachts nicht gestoppt zu haben, weil sie um den Ruf ihrer Abteilung und ihres Klinikums besorgt waren.
Insgesamt seien 21 Schriftsätze der Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger mit 1.200 Seiten sowie weitere elektronische Dateien eingegangen, hieß es. Das Gericht müsse nun vorrangig prüfen, ob Bührmann und seine Kollegen in dem Verfahren weiter als Richter agieren dürfen. Sollte das Gericht entscheiden, dass sie den Prozess führen dürfen, könne die Verteidigung noch Beschwerde beim Oberlandesgericht Oldenburg einlegen. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt sei, könne über die Zulassung der Anklagen nicht entschieden werden.
Der ehemalige Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach Überzeugung des Oldenburger Landgerichts hat er zwischen 2000 und 2005 aus Geltungssucht 85 Menschen in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst mit Medikamenten vergiftet und anschließend vergeblich versucht, sie zu reanimieren. Wegen sechs weiterer Taten war er früher verurteilt worden.