Fanforscher warnt nach Rassismus im Pokalspiel vor Überreaktion
05.02.2020
epd
epd-Gespräch: Jörg Nielsen

Hannover (epd). Die rassistischen Ausfälle beim Fußball-Pokalspiel Schalke 04 gegen Hertha BSC am Dienstagabend in Gelsenkirchen sollten nach Ansicht des hannoverschen Fanforschers Gunter Pilz nicht überbewertet werden. Gleichzeitig mahnte Pilz Wachsamkeit gegen rechtsextreme Fans in den Stadien an. Rassismus dürfe nie verharmlost werden, sagte der emeritierte Sportsoziologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem DFB-Pokalspiel waren aus dem Schalke-Block mehrfach Affengeräusche imitiert worden, um den in Chemnitz geborenen schwarzen Berliner Spieler Jordan Torunarigha zu verunglimpfen. Schalke hatte sich nach dem Spiel für das Verhalten von "Vollidioten" entschuldigt.

Pilz sagte: "Wenn in der Fankurve 10.000 Menschen mitfiebern, sind immer ein paar Idioten darunter." Beim Fußball gebe es genauso viel Rassismus wie in der übrigen Gesellschaft auch. Es sei bedauerlich, dass sich ausgerechnet Schalke-Fans zu den rassistischen Beleidigungen hätten hinreißen lassen. Der Verein sei einer der ersten gewesen, der sich aktiv gegen Rechtsradikale unter den Fans gewehrt habe. Die Fan-Szene engagiere sich stark gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Hooligans.

Alle großen Vereine unterstützten inzwischen Projekte gegen Rassismus in den Stadien, sagte Pilz. Allerdings gebe es bei einigen Vereinen in Ostdeutschland noch Nachholbedarf. Großen Respekt habe er vor den "Ultras", den nahezu fanatischen Fans, die ihren Verein bei den Spielen mit Gesängen und Choreographien begleiteten. Sie engagierten sich besonders stark gegen rechte Umtriebe unter den Fans. Etliche dieser Ultras organisierten beispielsweise regelmäßige Fahrten nach Auschwitz, um jüngere Fans über die Gefahren des Rechtsextremismus aufzuklären.

Allerdings müsse sich Schalke-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies fragen, "ob dies die Geister sind, die er gerufen hat", sagte Pilz. Tönnies hatte im August vergangenen Jahres bundesweit für Kritik und Schlagzeilen gesorgt, als er in einer Rede höhere Steuern im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert hatte. Vor knapp 1.600 Gästen fügte er hinzu, stattdessen sollten lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanziert werden: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren."

Tönnies hatte sich später vor der DFB-Ethik-Kommission von seinen Aussagen distanziert. Der Vorfall vom Dienstabend zeige deutlich, dass sich "Leute in verantwortlichen Positionen gut überlegen sollten, was sie öffentlich herausposaunen", betonte Pilz.