Der Pfarrberuf war ihm eigentlich nicht in die Wiege gelegt. Als sich Klaus Raschzok nach dem Abitur recht spontan entschied, Pfarrer zu werden, war sein Vater überrascht. "Er war damals nicht mal Mitglied einer Kirche", erinnert sich der Professor für Praktische Theologie an der landeskirchlichen Augustana Hochschule in Neuendettelsau. Und eigentlich war für den Sohn vorgezeichnet, Offizier in der Bundeswehr zu werden - der Familientradition folgend. Es kam bekanntermaßen anders. Raschzok wurde Pfarrer, später Dekan und Hochschuldozent, schließlich Professor in Jena und in Neuendettelsau sowie Mitglied der Landessynode. In einigen Wochen geht er in den Ruhestand.
"Natürlich wird mir das Aufhören schwerfallen", sagt der in Nürnberg geborene Raschzok. Trotzdem ist es für den 65-Jährigen alternativlos: "Nachdem ich mehrere kirchliche Gremien mit 80-Jährigen erlebt habe, gehe ich dann doch gerne und gebe gerne Aufgaben an die jüngeren Generationen ab." Wobei das mit dem Aufhören nur halb stimmt: Zwar wird er als Professor emeritiert und gehört der neuen Landessynode nicht mehr an - sein an der Augustana begonnenes großes Buchprojekt "Evangelische Friedhöfe in Bayern" wird er aber noch abschließen und auch einen neuen Lehrauftrag hat er schon angenommen: an der Uni Augsburg am katholischen Seminar, alle zwei Jahre für zwei Tage.
Raschzok studierte Theologie und Kunstgeschichte - und verband beide Fachrichtungen in seiner Doktorarbeit. Anschließend war er Pfarrer in Zusmarshausen, ab 1991 Dekan in Nördlingen, nebenbei war er noch Dozent an der Uni Erlangen: "Ich wurde mit 35 Jahren Dekan, das war damals ungewöhnlich, heute wäre es das erst recht." In Bayern komme heute vor Mitte 40 kaum jemand mehr in so eine Position. Für diesen Vertrauensvorschuss sei er bis heute dankbar: "Ich habe in dieser Zeit viel gelernt." Er habe es genossen, als Pfarrer und Kunsthistoriker mit der gotischen St.-Georgs-Kirche für eines der größten mittelalterlichen Kirchengebäude in Süddeutschland zuständig gewesen zu sein.
Modelhaft Glaubenspraxis nachbilden
Zur Praktischen Theologie kam Raschzok ein bisschen über Umwege. Eigentlich interessierte ihn als Kunsthistoriker vor allem der Bereich der christlichen Archäologie. "Da gibt es aber nur einen Lehrstuhl in ganz Deutschland", sagt der Theologe. Eine akademische Karriere in diesem Teilbereich ist extrem unwahrscheinlich. Sein Doktorvater machte ihm die Praktische Theologie schmackhaft: "Das hat meinen Blick geweitet, Kunstgeschichte habe ich als 'zweites Auge' behalten." Wenn er Nicht-Theologen erklären soll, was Praktische Theologie eigentlich ist, greift er zum Vergleich. "Ich mache akademischen Modellbau: Ich versuche für die Studierenden modellhaft Glaubenspraxis nachzubilden."
Vielen Studierenden - einst in Jena und seit 2003 in Neuendettelsau - ist der Theologieprofessor mit dem markanten Schnauzer auch durch seine teils unkonventionellen Lehrmethoden im Gedächtnis geblieben. Raschzok, der auch ein Faible für (altes) Spielzeug hat, hat Vorlesungen schon auch mal mit einem Handpuppen-Anspiel begonnen. Immer mit inhaltlichem Ansatz, versteht sich. Beispielsweise, indem er authentische Liebesbriefe eines Pfarrvikars und seiner Verlobten aus dem Jahr 1875 vorgespielt hat. Und natürlich war er auch für ein essenzielles Seminar verantwortlich: Bei ihm lernten Pfarrerinnen und Pfarrer, wie man sich im Talar bewegt, oder wie man das Kreuzzeichen als Pfarrer macht.
###galerie|73975|Die Schönheit des geistlichen Gewands###
Über sich selbst sagt der 65-Jährige: "Ich bin geschult in der Tradition, ich schule auch andere darin - aber ich bin kein Traditionalist." So hat er sich zusammen mit anderen für eine Modernisierung der Amtstracht der Pfarrerinnen und Pfarrer stark gemacht. "Damit hatte ich allerdings keinen Erfolg", sagt er. Und auch sonst ist er nicht mit allem in seiner Vita zufrieden: "Ich vermisse die Wertschätzung der wissenschaftlichen Theologie in vielen Landeskirchen." So seien seine beiden Hochschul-Kollegen und er, die als berufene Mitglieder in der Synode saßen, nicht ein Mal gefragt worden, ob sie eine Predigt im Eröffnungsgottesdienst oder auch eine Andacht halten wollen: "Das ist schon sehr schade."
Worauf er sich im Ruhestand freut: Wieder entspannter im Gottesdienst sitzen zu können. Denn bedingt durch seine Professorentätigkeit in der Praktischen Theologie war er stets auch mit "Ausbilderblick" unterwegs. "Oft war ich nicht zufrieden mit dem, was ich in den Gottesdiensten so gesehen und gehört habe - das hat mich an der Nachhaltigkeit unserer Lehre zweifeln lassen." Er ist ein Fan des Sonntagsgottesdienstes, ohne andere Gottesdienstformen abzulehnen. Aber nicht jeder Gottesdienst dürfe Event- oder Veranstaltungscharakter haben: "Es ist ein Irrglaube, dass sich damit Kirchenferne in die Kirche locken lassen." Seine Kritik war oft bissig, weiß Raschzok: "Heute bin ich älter. Und gnädiger."