Das Diakonische Werk Augsburg ist im Vergleich zu anderen Diakonien "eher jung", sagt der Theologische Vorstand Fritz Graßmann. Das lag nicht etwa am Reichtum der Fugger-Stadt, denn Augsburg war im Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit vielen sozialen Problemen belastet. "Besonders die Textilindustrie, aber auch die anderen großen Fabriken saugten geradezu Menschen aus dem Umland an", sagt Graßmann. Die Folge sei eine zunehmende Entwurzelung ganzer Bevölkerungsgruppen gewesen, erklärt der Theologe.
Eine erste Antwort der evangelischen Bürger in Augsburg auf die neue soziale Frage sei die Gründung der evangelischen Diakonissenanstalt gewesen, "bis heute sozusagen unsere ältere diakonische Schwester", sagt Graßmann. Parallel hätten sich weitere diakonische Einrichtungen gegründet, die wichtigste war die "Herberge zur Heimat". Diese sollte "der Verwilderung und Sittenlosigkeit jugendlicher Arbeiter" entgegen wirken, aber sie auch der Einwirkung der aufstrebenden Sozialdemokratie entziehen.
Diese "Herberge zur Heimat" wurde zur Urzelle des 1895 gegründeten "Vereins für inneren Mission in Augsburg", der sich später in "Diakonisches Werk Augsburg" unbenannte. Kümmerten sich bislang in den Jahrhunderten zuvor Klöster und private Initiativen um das alltägliche Elend, versuchte man nun erstmals durch organisierte Hilfe auf der Basis von Vereinen die soziale Not zu lindern.
In der "Fuggerstadt" Augsburg gaben Bankiers und Industrielle erste Anstöße, auf die Folgen der Industrialisierung zu reagieren, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant voranschritt. Wenige Jahre vor der offiziellen Vereinsgründung konnte im Jahr 1887 durch namhafte Spenden Augsburger Bürger dann ein Anwesen erworben werden, in dem sich die "Herberge zur Heimat" zunächst mit 30 Betten und Aufenthaltsräumen niederließ.
Soziale Arbeit im Wandel der Zeit
Weil sich in diesen Jahren aber in Nürnberg und München Vereine für Innere Mission zusammengeschlossen hatten, entstand ein neues Vorbild, das sich als effizienter und als eine Form wesentlich breiterer kirchlicher Sozialarbeit erwies. Nach diesem Modell beschloss dann am 19. September 1895 der Vorstand des Herbergsvereins, auch einen Verein für Innere Mission in Augsburg zu gründen. Seit dieser Zeit steht er beratend für Einrichtungen zur Seite, hinzukamen außerdem Gebäudezukäufe.
Am Anfang half das Sozialunternehmen vor allem entwurzelten Arbeitskräften aus den Fabriken, aber auch Kindern und Jugendlichen, deren Familien sich nicht um sie kümmern konnten, erzählt Fritz Graßmann. In der Weltwirtschaftskrise waren es dann die Arbeitslosen, nach dem Weltkrieg die Geflüchteten, später die Aussiedler und Asylbewerber und zu allen Zeiten alte, pflegebedürftige Menschen.
"Geändert hat sich aber sicher die Art, wie wir die Menschen unterstützen. Der Weg führte von christlicher Barmherzigkeit hin zum Eintreten für eine gerechte Gesellschaft, von Fürsorge zur Ermöglichung von Teilhabe, von Mission und Seelenrettung hin zur Beratung und Begleitung", so Graßmann. "Aus kleinen, bescheidenen Anfängen ist ein vielverzweigtes diakonisches Werk gewachsen, das heute Tausenden von Menschen auf vielfältige Weise Zuwendung, Beratung und Fürsorge gewährt", schrieb vor 25 Jahren der frühere Augsburger Regionalbischof Ernst Öffner zum 100-Jährigen. Heute zählen 35 Einrichtungen zur Diakonie Augsburg mit rund 2.000 Mitarbeitern.