Datteln, Recklinghausen (epd). Auf dem Kraftwerksgelände von Datteln 4 haben Demonstranten am Sonntag für einen sofortigen Ausstieg aus der Kohle und gegen den von der Bundesregierung beschlossenen Ausstiegsplan bis 2038 protestiert. Rund 120 Menschen hätten sich gewaltsam Zugang zum Betriebsgelände des Steinkohlekraftwerks verschafft und Anlagenbereiche besetzt, sagte eine Pressesprecherin der Polizei Recklinghausen dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Dabei handele es sich um eine Straftat.
Der Kraftwerksbetreiber habe gegen alle Eindringlinge einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Bochum habe sich die Polizei am Sonntag zum Ende der Aktion vor allem um die Feststellung der Personalien gekümmert und gegen einige Demonstranten ein Bereichs- und Betretungsverbot erlassen.
Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen (Recklinghausen) betonte, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit auf Grundlage des Grundgesetzes ein hohes Gut sei. "Doch wenn jemand meint, über dem Gesetz zu stehen und seinen Protest durch die Begehung von Straftaten zu verleihen, hat das nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun."
Das Aktionsbündnis "Ende Gelände" sprach selbst von 150 Aktivisten, die das Betriebsgelände von Datteln 4 und zwei sogenannte Portalkratzer blockierten. Zeitgleich fand eine Mahnwache vor dem Betriebsgelände statt. Eine Sprecherin erklärte: "Heute haben wir Datteln 4 besetzt, um der Politik und dem Konzern Uniper in aller Deutlichkeit zu sagen: Wir werden nicht dulden, dass im Jahr 2020 ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz geht." Das Kohlegesetz der Bundesregierung sei ein Desaster, "mit dem wir auf eine vier bis sechs Grad heißere Welt zu steuern".
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte in Berlin, dass die Mehremissionen von Datteln IV ausgeglichen würden. Sie hatte die Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks vor kurzem als "schmerzhaften" Teil des Kohlekompromisses bezeichnet. Für Datteln IV würden jedoch mehrere alte Kraftwerke abgeschaltet, sagte sie am Sonntag. Dies sei letztlich entscheidend für die Klimabilanz.
Die Kraftwerksgegner erklärten indes: "Wir werden gegen Datteln 4 kämpfen, so, wie wir um den Hambacher Forst gekämpft haben." Der Hambacher Forst, ein Waldstück zwischen Köln und Aachen, gilt als Symbol des Widerstands gegen den Braunkohle-Abbau. Es kam dort zu monatelangen teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen der Umweltschützer mit der Polizei. Nachdem sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission für sich den Erhalt des Hambacher Forsts aussprach, kündigte der Essener Energiekonzern RWE als Tagebaubetreiber an, bis 2020 keine weiteren Bäume zu fällen.
Ende Januar hatte das Bundeskabinett das Gesetz zum Kohleausstieg auf den Weg gebracht. Der Entwurf sieht vor, dass die Stein- und Braunkohlekraftwerke in Deutschland bis spätestens 2038 abgeschaltet werden, wenn möglich schon bis 2035. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen sein. Umweltorganisationen kritisieren, dass dann noch weitere 18 Jahre in Deutschland Kohle verstromt würde. Zudem beanstanden sie, dass trotz der Ausstiegspläne das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen noch ans Netz gehen soll. Die Bundesregierung verteidigt dies mit dem Argument, dass Datteln 4 das modernste Kraftwerk sei. Drei alte Blöcke des Steinkohlekraftwerks des Konzerns Uniper Kraftwerke aus den 1960er Jahren sind stillgelegt.