Frankfurt a.M. (epd). Mit mehr als 200.000 neuen Fällen pro Jahr muss die Lepra nach Ansicht von Medizinern ernster genommen werden. Noch immer sei der genaue Übertragungsweg bei der schon aus biblischen Zeiten bekannten Krankheit nicht bekannt, mahnt Lepra-Experte Sebastian Dietrich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) intensivere Forschung an. "Es gibt wahrscheinlich mehr Forschung zu Haarwuchsmitteln als zu Lepra", sagte der medizinische Berater der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW).
Bei der Übertragung des "Aussatzes" wird Tröpfcheninfektion angenommen. Eine kurze Berührung reicht, entgegen anhaltender Vorurteile, hingegen nicht aus. Genauere Forschung aber sei nötig, um die Übertragungskette letztlich zu durchschlagen, betonte Dietrich zum Welt-Lepra-Tag am 26. Januar. Die Aufmerksamkeit dürfe angesichts der anhaltend vielen Neuerkrankungen nicht nachlassen.
Dabei sei es wenig hilfreich, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Lepra vor rund 20 Jahren als eliminiert erklärt habe, sagte der Mediziner. Denn damit sei lediglich gemeint, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt weniger als einen Lepra-Fall pro 10.000 Einwohner gegeben habe. In manchen Länder und Regionen liege die Zahl aber deutlich höher. Und selbst unter dieser Marke bedeute das keineswegs, dass die Krankheit ausgerottet sei: "Gäbe es in Deutschland 8.000 Lepra-Fälle im Jahr, dann würden wir, glaube ich, die Krankheit nicht als beendet betrachten."
Die weitaus meisten Fälle treten in Entwicklungs- und Schwellenländern auf. Allein aus Indien wurden zuletzt wieder 120.000 Neuerkrankungen gemeldet - und selbst dort gilt die Krankheit laut Dietrich als eliminiert. Wenn Lepra rechtzeitig erkannt wird, ist sie folgenlos heilbar. Haben die Bakterien jedoch die Nerven schon zu stark geschädigt, bleiben oft schwere Behinderungen - die typischen Verstümmelungen an Armen und Beinen - zurück. Die Betroffenen werden noch immer häufig gemieden und diskriminiert, vom Arbeitgeber entlassen oder aus der Familie verstoßen.
Zuerst seien mit der Einführung einer wirksamen Medikamententherapie vor fast 40 Jahren große Erfolge im Kampf gegen Lepra verbucht worden, beschrieb Dietrich die Anstrengungen der Weltgemeinschaft. Angesichts sinkender Infektionszahlen sei dann aber auch die Aufmerksamkeit zurückgegangen - nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Bekämpfung der Lepra vor Ort. Wo es früher eigene Strukturen zum Aufspüren und Behandeln der Lepra gegeben habe, seien diese vielerorts in das normale Gesundheitssystem integriert worden: "Die Lepra-Arbeit fällt dann am Ende oft hinten runter."
Die Zahl der neuen Fälle gehe damit kaum noch zurück, erklärte Dietrich. "Wenn das so weitergeht, reden wir auch in 50 Jahren noch über Lepra und Neuerkrankungen."