Berlin (epd). Ein Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder kann die Erwerbtätigkeit von Müttern einer Studie zufolge steigern und sich damit zu einem Teil selbst finanzieren. Eine am Montag vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgestellte Studie kommt zu dem Schluss, dass die Erwerbsquote von Frauen um zwei bis sechs Prozentpunkte nach oben gehen würde. Diese kurzfristige Wirkung könne dadurch entstehen, dass Mütter ihre Erwerbswünsche realisieren können, sagte die Leiterin der Abteilung Bildung und Familie im DIW, Katharina Spieß.
Das DIW hat für seine Studie untersucht, wie sich durch ein größeres Ganztagsangebot die Erwerbstätigkeit von Frauen verändern könnte. Der Untersuchung zufolge ist die Erwerbstätigkeit von Frauen, die Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen, bereits heute hoch. Je nach Familiensituation und Bildungsgrad liegt sie den Berechnungen zufolge bei 83 bis 94 Prozent, bei alleinerziehenden westdeutschen Akademikerinnen sogar bei 100 Prozent. Viele Frauen arbeiten aber Teilzeit. Ihre Wochenarbeitszeit liegt demnach im Schnitt zwischen 24 und 36 Stunden.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht vor, bis 2025 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter zu realisieren. Für Erst- bis Viertklässler soll eine Betreuung von acht Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche sichergestellt werden. Die Ferienbetreuung soll so geregelt werden, dass nur noch Schließzeiten von bis zu vier Wochen erlaubt sind. Der Bund will die Länder beim Ausbau der Ganztagsbetreuung mit bis zu zwei Milliarden Euro unterstützen.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte, das sei ein Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit. Ziel des Rechtsanspruchs ist es ihren Worten zufolge, dass 75 Prozent der Eltern von Grundschulkindern eine Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen können. Das Angebot deckt demnach derzeit 50 Prozent ab. Giffey zufolge müssen rund eine Million mehr Ganztagsplätze geschaffen werden, um das vom Bund gesteckte Ziel zu erreichen.
Spieß zufolge zahlen sich die Investitionen in die Ganztagsbetreuung am Ende auch volkswirtschaftlich aus. Durch eine höhere Erwerbstätigkeit von Müttern sei unter anderem mit höheren Steuereinnahmen und Einnahmen für die Sozialversicherungen zu rechnen. Die Kosten für soziale Transferleistungen wiederum würden sinken. Die Mehreinnahmen könnten den Angaben zufolge bei ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr liegen und den Ganztagsausbau damit teilweise selbst finanzieren. Giffey sagte, dies sei ein zusätzliches Argument für den Ausbau der Ganztagsbetreuung.
Profitieren würden von den Mehreinnahmen Spieß zufolge vor allem der Bund und die Träger der Sozialversicherungen, die Gemeinden dagegen am wenigsten. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Stefanie Hubig (SPD), forderte daher, dass der Bund seine Mittel erhöht. Die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung werde mit voraussichtlich 7,5 Milliarden Euro um ein vielfaches teurer als die zwei Milliarden, die der Bund fördern will, sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Dienstag). "Wir brauchen mehr Mittel - dazu sind wir aber gerade auch in konstruktiven Gesprächen mit dem Bund", sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin.