"Klimahysterie" ist Unwort des Jahres 2019
Jury kritisiert auch «Umvolkung» und «Ethikmauer»
Die Auseinandersetzung um die Klimaerhitzung hat sich in den Vorschlägen für die Unwort-Jury widergespiegelt. Das Rennen machte ein Begriff, der Klimaschützer nach Aussage der Jury für krank erklärt.

Darmstadt (epd). "Klimahysterie" ist das Unwort des Jahres 2019. Damit würden Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert, begründete die Jury-Sprecherin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt die Wahl. Der im vergangenen Jahr "von vielen in Politik, Wirtschaft und Medien" verwendete Ausdruck "pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose". Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel sei das Wort zudem irreführend und stütze in unverantwortlicher Weise wissenschaftsfeindliche Tendenzen.

Der Ausdruck "Klimahysterie" wurde nach Janichs Angaben neunmal eingesandt. Die Zahl der Einsendungen zum Thema "Ökologie, Klima, Umweltschutz" habe im vergangenen Jahr stark zugenommen, sagte die Sprecherin der Unwort-Jury. Vorgeschlagen worden seien zum Beispiel auch die Begriffe "Ökodiktatur", "Ökofaschismus", "Ökoterrorismus", "Klimaabsolutismus", "CO2-Gläubige", "CO2-Jünger" oder "Klimakirche".

Außerdem kritisierte die Jury als Unwörter die Begriffe "Umvolkung" und "Ethikmauer". Der Ausdruck "Umvolkung" habe 2019 durch ein ZDF-Interview mit dem neuen AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla größere Aufmerksamkeit erhalten. Es handele sich um einen Schlüsselbegriff einer rechtsextremen Verschwörungstheorie.

Diese behaupte, dass es einen geheimen Plan der "Eliten" gebe, die weiße Mehrheitsbevölkerung in Europa, Australien und Neuseeland sowie den USA durch vornehmlich muslimische Flüchtlinge und andere nicht-weiße Einwanderer auszutauschen. Sie sei fester Bestandteil der Ideologie der AfD und diskriminiere Zuwanderer insofern, als sie diese als gefährliche, sich schnell vermehrende "Austausch"-Masse darstelle. Der Begriff wurde zweimal eingesandt.

Der Ausdruck "Ethikmauer" ist nach Angaben der Jury in einem Kommentar der Zeitung "Die Welt" verwendet worden. Der Kommentar habe sich auf japanische Forschungen zur Züchtung menschlicher Organe in Tieren zu therapeutischen Zwecken bezogen. Gegenüber der Kritik an solcher Forschung habe der Autor vermerkt: "Bei dieser Forschung zum Wohl des Menschen kann man sich nicht hinter einer Ethikmauer verstecken." Mit der Wahl dieses Ausdrucks werde "jede ernsthafte Auseinandersetzung mit ethischen Grundsatzfragen als Fortschrittsverweigerung diskreditiert", stimmte die Jury dem Einsender zu. Der Begriff wurde einmal eingesandt.

Insgesamt erhielt die Unwort-Jury im vergangenen Jahr 671 Einsendungen. Darunter waren 397 verschiedenen Ausdrücke, von denen knapp 50 den Kriterien der Jury entsprachen. Zu den häufigsten Einsendungen zählten "Verschissmus" (22 mal), "Deals" (16 mal) und "Umweltsau" (16 mal).

Unwörter waren zuletzt "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018), "alternative Fakten" (2017) "Volksverräter" (2016), "Gutmensch" (2015), "Lügenpresse" (2014) und "Sozialtourismus" (2013"). Die Aktion will den Blick auf Wörter und Formulierungen lenken, "die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen" und dadurch die Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern.

Die sprachkritische Aktion wurde 1991 von dem Frankfurter Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser initiiert. Seit 2011 ist Janich Jury-Sprecherin. Weitere Mitglieder sind die Sprachwissenschaftler Jürgen Schiewe (Universität Greifswald), Kersten Sven Roth (Universität Düsseldorf), Martin Wengeler (Universität Trier) sowie der freie Publizist Stephan Hebel. Als jährlich wechselndes Mitglied war dieses Mal der Kabarettist Urban Priol beteiligt.