Spitzenverbände: Immer mehr Kommunalpolitiker werden bedroht
Giffey sieht demokratisches Zusammenleben bedroht
Kommunalpolitiker werden zunehmend bedroht und angefeindet. Die Spitzenverbände der Städte und Gemeinden schlagen jetzt Alarm. "Wir dürfen Hass und Gewalt keinen Raum geben", fordert Städtetagspräsident Jung.

Frankfurt a.M. (epd). Die Spitzenverbände von Städten und Gemeinden sind wegen vermehrter Gewalt und Hetze gegen Kommunalpolitiker in Sorge. Immer mehr Amts- und Mandatsträger würden bedroht oder mit Hass überzogen, häufig auch im Internet, sagte der Präsident des Deutschen Städtetages und Leipziger Oberbürgermeister, Burkhard Jung (SPD), dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Montag). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht deshalb das demokratische Zusammenleben in Deutschland bedroht. Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick plädiert für eine Stärkung der Zivilgesellschaft und ein umfassendes kommunales Konfliktmanagement.

"Wir dürfen Hass und Gewalt keinen Raum geben", forderte Städtetagspräsident Jung. "Dem müssen wir als Gesellschaft entschlossen entgegentreten." Mittlerweile reagierten Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sensibler auf Bedrohungen. "Hier müssen wir als Betroffene alle strafwürdigen Vorkommnisse konsequent zur Anzeige bringen, ebenso ist die Justiz in der Pflicht, Strafbares auch schnellstmöglich zu ahnden", sagte der SPD-Politiker.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, beklagte eine zunehmende Bedrohung von Kommunalpolitikern. Das Klima der politischen Auseinandersetzungen sei "härter, rauer und aggressiver" geworden, sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Das Internet biete einen neuen Echoraum für Pöbeleien, Beleidigungen und Bedrohungen.

Zugleich lobte Landsberg: "Die Politik hat das Problem erkannt und sieht zurecht eine Gefahr für die lokale Demokratie." Zusätzliches Personal beim Bundeskriminalamt und beim Bundesamt für Verfassungsschutz sei zudem ein positives Signal. "Wir sollten uns allerdings nicht der Illusion hingeben, dass das Problem allein mit strafrechtlicher Verfolgung zu lösen ist", sagte Landsberg. "Wir brauchen den Aufstand und den Zusammenhalt der Gesellschaft insgesamt", verlangte er.

Seit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im Juni vergangenen Jahres berichten immer mehr lokale Amtsträger von Drohungen ihnen gegenüber. Im Oktober hatte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus vorgelegt, das neben der Finanzierung von Demokratieprojekten auch eine Änderung des Strafrechtsparagrafen 188 vorsieht, der üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des öffentlichen Lebens ahndet. Dieser soll künftig ausdrücklich auch für Kommunalpolitiker gelten.

Bundesfamilienministerin Giffey erklärte am Montag: "Wenn Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker ihre Arbeit nicht mehr machen können, ohne Angst vor Rechtsradikalen zu haben, macht das deutlich, wie stark der Extremismus unsere Demokratie schon heute gefährdet." Sie plädierte für eine harte Strafverfolgung und für die Förderung des demokratischen Engagements vor Ort.

Der Konfliktforscher Zick sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), nötig sei ein umfassendes kommunales Konfliktmanagement mit einer Analyse und Beratungselementen. Wichtig sei vor allem die Stärkung der Zivilgesellschaft. Kräfte, die mit Extremismus umgehen können, müssten gestärkt werden, sagte der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.

Der Wissenschaftler rief dazu auf, angesichts von Hass- und Todeslisten die Bedrohung von Kommunalpolitikern ernst zu nehmen. Anträge auf Erteilung eines Waffenscheins wie im Fall des Bürgermeisters von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt (SPD), um sich vor Extremisten zu schützen, sieht Zick nicht als Lösung. "Aus der Forschung kennen wir den Waffeneffekt: Dort, wo Waffen sind, erhöht sich die Unsicherheit."

epd kfr/mey/lwd/jup mih