Frankfurt a.M./München/Rom (epd). Die Kirchen haben an Weihnachten zu einem neuen gesellschaftlichen Miteinander aufgerufen. Egoismus als Lebensprinzip zerstöre die Gesellschaft, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Mittwoch in der Münchner Matthäuskirche. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, ermahnte an Heiligabend die Menschen zu tätiger Solidarität. Papst Franziskus verlangte mehr weltweite humanitäre Hilfen für Flüchtlinge.
Papst Franziskus spendete am Mittwoch auf dem Petersplatz in Rom den traditionellen Segen "Urbi et orbi" (der Stadt und dem Erdkreis). In seiner Weihnachtsbotschaft beklagte er vor Zehntausenden Pilgern Kriege und Konflikte weltweit als Fluchtursachen. Ungerechtigkeit zwinge die Menschen dazu, Wüsten und Meere zu überqueren, "die zu Friedhöfen werden". Unter Anspielung auf die Lage in Libyen beklagte der Papst, Flüchtlinge seien gezwungen, "unsagbare Misshandlungen, Knechtschaft und Folter in unmenschlichen Lagern zu ertragen".
Der Papst prangerte auch die Abschottungspolitik zahlreicher Länder etwa in Europa an. Menschen, die zur Flucht gezwungen seien, stießen dort auf "Mauern der Gleichgültigkeit", wo sie Hoffnung auf ein würdiges Leben haben könnten.
Der EKD-Migrationsexperte Manfred Rekowski beklagte einen weitgehenden Stillstand der EU-Migrations- und Flüchtlingspolitik. Es gebe nach wie vor keine substanziellen Fortschritte, sagte der Präses der rheinischen Kirche dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Griechenland sei die humanitäre Situation besonders der minderjährigen Flüchtlinge ausgesprochen schwierig. "Sie erfordert wirksame humanitäre Sofortmaßnahmen", sagte der Theologe.
Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Bedford-Strohm warnte an ersten Weihnachtstag vor einer "Kultur der Anprangerung, Empörung und Abwertung in den sozialen Medien". Ein Leben in Achtung und Respekt sei das viel bessere Leben. Er rief in München zudem auf zu einem neuen Lebensstil im Einklang mit der Natur.
Leitende Theologen würdigten auch den Einsatz der "Fridays for Future"-Bewegung. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte in der Marktkirche in Hannover: "Niemals zuvor hat diese Welt eine Bewegung junger Erwachsener erlebt wie im vergangenen Jahr." In der Frage "wie wollen wir eigentlich morgen leben?" stecke auch die Frage nach Gott, sagte der evangelische Bischof.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck warb für eine ökologische Umkehr und einen neuen, umweltfreundlichen Lebensstil. Die Menschen müssten sich heute reumütig und ehrlich eingestehen, "dass wir in vielfacher Weise gegen die Schöpfung gesündigt haben und weiterhin sündigen", sagte Overbeck im Essener Dom. Der Mensch sei aufgerufen, alles Geschaffene zu hüten und zu bewahren.
Der Hildesheimer katholische Bischof Heiner Wilmer rief in einem ZDF-Fernsehgottesdienst am ersten Weihnachtstag dazu auf, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Dabei gehe es um den Einsatz "für die Welt, die Menschen, das Klima, das Wasser und für eine gerechte und friedliche Gesellschaft", sagte er im Hildesheimer Mariendom. "Gott gibt auch den Gestrandeten, den Flüchtlingen, den Obdachlosen und den seelisch Unbehausten eine Heimat."
Die stellvertretende Vorsitzende des Rates der EKD, die westfälische Präses Annette Kurschus, unterstrich, die Weihnachtsbotschaft öffne Herzen und Türen. "Hier geht es nicht um eine Illusion, die uns für ein paar Stunden der bewussten Selbsttäuschung glücklich machen soll", sagte sie in ihrer Predigt in der Neustädter Marienkirche in Bielefeld. "Hier will uns eine Kraft berühren, die größer ist als unser eigenes Vermögen."
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