Kekse, Nüsse und Lebkuchen, aber auch ein Päckchen Tabak und Blättchen legt Kai-Jan Kutscher in einen Schuhkarton. Er packt ein Weihnachtspaket der etwas anderen Art, denn diese Postsendung geht direkt an einen Strafgefangenen.
Abgesehen vom Tabak sind alle Rauschmittel verboten, genauso wie Konserven, Selbstgemachtes, sogar Nussschalen oder Kaugummis. Alles was sich in irgendeiner Form als Waffe zweckentfremden ließe oder als Drogenversteck dienen könnte, steht auf dem Index. Erlaubt sind neben einer kleinen persönlich gestalteten Weihnachtskarte nur Tabak und industriell gefertigte und verpackte Lebensmittel.
Und dennoch: „Es fühlt sich ein wenig an, wie ein Westpaket für die DDR zu packen oder wie Liebesgaben für die Front“, sagt Kai-Jan Kutscher. Auf evangelisch.de hat er von der Aktion gelesen und war sofort bei der Sache. Ihm ist es wichtig, an Weihnachten einen Beitrag für weniger Begünstigte zu leisten, dabei bevorzugt er eindeutig Sachspenden: „Da kann ich wirklich sicher sein, dass mein Beitrag auch ankommt. Geld könnte man veruntreuen, aber wer will schon Schokolade und TUC-Kekse veruntreuen.“ So sitzt Kutscher in seinem Wohnzimmer im südhessischen Pfungstadt und packt Waren im Wert von knapp dreißig Euro in einen Schuhkarton.
Angehörige dürfen nichts schicken
Die Paket-Aktion geht auf die christliche Straffälligenhilfe vom Schwarzen Kreuz zurück. Seit 1923 vermittelt die Organisation mit Sitz in Celle bundesweit seelische Unterstützung für Strafgefangene - vor allem mittels Brieffreundschaften. Die Paketaktion zu Weihnachten hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Von Bundesland zu Bundesland sind die Regelungen unterschiedlich, aber insgesamt seien die Vorschriften in den letzten Jahren deutlich strenger geworden, erklärt Ute Passarge, Sachbearbeiterin beim Schwarzen Kreuz in Celle. „Der Personalaufwand in den Jusitzvollzugsanstalten, um Pakete zu kontrollieren, ist sehr hoch. Deswegen ist es für direkte Angehörige in vielen Fällen sogar ganz verboten, Pakete in die Haftanstalten zu schicken.“
Hier springt das Schwarze Kreuz ein. Gerade an Weihnachten sei die Situation für viele Strafgefangene besonders belastend, erklärt Ute Passarge. „In U-Haftanstalten haben Sie häufig die Situation, dass Menschen direkt vom Gabentisch weg verhaftet werden. Da können wir sicherstellen, dass die zumindest ein Paket zu Weihnachten bekommen.“
Immer mehr Pakete
Die Reaktionen geben der Organisation Recht. „Das hat die schwersten Tage des Jahres und eventuell meines Lebens ein gutes Stück abzufedern vermocht und kam in meinem Herzen sehr dankbar an“, schrieb im letzten Jahr ein Münchner Haftinsasse an die Organisation als Reaktion auf das Weihnachtspaket. In den letzten Jahren hat das Schwarze Kreuz stetig immer mehr Pakete vermittelt: 2019 waren es 1326 Weihnachtspäckchen: eine Rekordzahl, erklärt Ute Passarge
"Die Paketaktion ist äußerst erfolgreich", sagt Passarge. "Es fehlt allerdings an Geldspenden, damit wir, wenn es Not tut, Pakete kurzfristig umpacken oder JVAs bei eigenen Paketaktionen unterstützen können." Auch Interessenten für neue Brieffreundschaften sucht das Schwarze Kreuz händeringend. Die Paketaktion läuft übrigens strikt getrennt davon, denn aus Sicherheitsgründen dürfen die Pakete nur an Unbekannte ausgeliefert werden.
Trotzdem sind die Empfänger in den Haftanstalten oft gar nicht so weit weg - zumindest gilt das für Kai-Jan Kutscher aus Pfungstadt. Der Empfänger des Päckchens sitzt nur wenige Kilometer entfernt, im Riedstädter Philippshospital, ein. Dass dort Sexualstraftäter zur Sicherungsverwahrung untergebracht sind, stört Kutscher wenig. „Ich will das nicht in Schutz nehmen, aber ich denke das sind Leute, die sind einfach ein wenig krank“, sagt er. Schließlich sei in der Bergpredigt auch nicht von Ausnahmen die Rede gewesen, sondern man solle eben alle Nächsten lieben wie sich selbst.
In die Lebenssituation im Gefängnis kann er sich gut hineinversetzen. Als 20-Jähriger hatte er sich bei der Bundeswehr verpflichtet und entsprechend nur an den Wochenenden Kontakt zu seinem normalen Umfeld. „In so einer Situation tut jeder Kontakt nach draußen enorm gut“, erklärt Kai-Jan Kutscher, während er den vom Schwarzen Kreuz vorausgefüllten Adressaufkleber auf den Schuhkarton klebt. Er hat beschlossen, sich weiter über die Hilfsorganisation zu engagieren und will sich über das Schwarze Kreuz eine Brieffreundschaft ins Gefängnis organisieren.