Leipzig (epd). Unternehmen in Deutschland sind nach Expertenansicht nicht auf das Coming-out von transsexuellen Beschäftigten vorbereitet. "Die Firmen haben keinen Masterplan", sagte Rebecca Jäger vom Bundesverband Trans* dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Leipzig. Die Folgen dieser Lücke im Management tragen die Betroffenen: Im schlimmsten Fall würden die Menschen nach ihrem Coming-out von Kollegen so lange gemobbt, bis sie kündigen.
Deutlich werde das an den Zahlen: Transsexuelle seien nach und während ihres Geschlechtswechsels häufig arbeitslos, sagte Jäger. Dabei hätten sie überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse. "Ein Coming-out wird in manchen Betrieben als eine Störung des Betriebsablaufes wahrgenommen", kritisierte sie. Bei Konflikten und Mobbing kneife das Management und rate zu einem Aufhebungsvertrag, anstatt dem transsexuellen Mitarbeitenden zur Seite zu stehen.
Wenn Beschäftigte wegen ihres Coming-out ihren Job verlieren, könnten sie sich zwar auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen und klagen, sagte Jäger. "Das machen aber die wenigsten, weil sie sich mit so vielen körperlichen und sozialen Veränderungen beschäftigen müssen", erklärte sie.
Natürlich gebe es auch Fälle, in denen das Kollegium positiv reagiere, wenn eine Transperson das erste Mal in ihrem eigentlichen Geschlecht zur Arbeit kommt, sagte Jäger. Gerade bei vielen jüngeren Menschen sei "die geschlechtliche Vielfalt schon in den Köpfen angekommen". Toleranz schütze aber nicht vor Irrtümern: "Oft benutzen die Kollegen und Kolleginnen aus Versehen die falschen Pronomen oder fragen, ob jemand jetzt schwul oder lesbisch sei, weil sie Sexualität und Geschlechtsidentität durcheinanderbringen", sagte die Expertin, die vor vier Jahren selbst ihr Coming-out auf der Arbeit hatte.
Unternehmen könnten dem vorbeugen, indem sie zum Beispiel Informationsveranstaltungen organisieren, sagte Jäger. So könne ein Arbeitsklima geschaffen werden, das geschlechtliche Vielfalt erlaubt. Zudem müssten Führungskräfte darin geschult werden, mit Coming-out und eventuellen Konflikten umzugehen. In der "emotional extrem belastenden Zeit" des Geschlechtswechsels helfe es auch, den transsexuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Entlastung auf der Arbeit und Freistellung oder finanzielle Hilfe für medizinische Behandlungen anzubieten. "Das Management muss außerdem klar machen, dass die betroffene Person eine genauso wertvoller Mitarbeiter ist wie vorher", forderte Jäger.