Gambella (epd). Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen gemeinsam gegen ausbeuterische Arbeit weltweit vorgehen und notfalls deutsche Firmen per Gesetz zu fairer Produktion im Ausland verpflichten. Das sagten beide bei einem Besuch in Äthiopien am Sonntag. Es gebe auch eine Verantwortung deutscher Unternehmen für nachhaltige Lieferketten, betonte Heil. Bislang sei dies lediglich auf freiwilliger Basis diskutiert worden. Aber er und Müller seien beide der Meinung, dass an Verantwortung letztendlich kein Weg vorbeigehe und die Regierung dafür im Zweifel gesetzgeberisch tätig werden müsse. Die Federführung bei dem Thema hat aber das Auswärtige Amt.
"Als Arbeitsminister weiß ich, für dauerhaften Frieden ist soziale Gerechtigkeit eine Grundlage", sagte Heil. Die internationale Verantwortung, die Deutschland trage, dürfe sich nicht allein aufs Militärische beschränken. Müller fügte hinzu, Wertschöpfung müsse in den Ländern, wo produziert werde, selbst erfolgen. Als Beispiel nannte er die Kaffee-Produktion. Äthiopien sei Hauptexportland für Kaffee nach Deutschland - aber hier bekämen die Menschen nur 50 Cent pro Kilo, während es in deutschen Geschäften für acht Euro verkauft werde. Es brauche faire Preise vor Ort und faire Löhne, "damit die Menschen eine Zukunft haben".
Die Bundesregierung befragt derzeit deutsche Firmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards bei der Produktion im Ausland. Grundlage der Befragung ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, der Folgendes vorsieht: Wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen".
Heil betonte: "Wir dürfen unseren Wohlstand in Deutschland und in Europa nicht dauerhaft auf der Armut und der Ausbeutung von Menschen in anderen Teilen der Welt aufbauen." Das räche sich bitterlich und münde in großen Migrationsbewegungen. Beide plädierten dabei für einen Fortbestand der großen Koalition. "Wenn man hier in Äthiopien ist und weiß, dass wir helfen können, dann relativiert sich die eine oder andere Debatte", sagte Heil. Es gebe von dieser Regierung noch große Vorhaben umzusetzen.
Im Westen von Äthiopien besuchten die Minister ein Flüchtlingslager in der Provinz Gambella an der Grenze zum Südsudan. Dort nahmen sie an der Grundsteinlegung für eine weiterführende Schule teil. Im Camp Nguenyyiel gibt es bislang nur Grundschulen, weshalb Kinder und Jugendliche ab dem Alter von zehn oder elf Jahren nicht mehr unterrichtet werden können. Die Schule soll in eineinhalb Jahren fertig sein und Unterricht für rund 1.000 Schüler anbieten.
In dem Lager sind derzeit fast 83.000 Menschen untergebracht, die seit Juli 2016 vor den Kämpfen im Bürgerkriegsland Südsudan geflohen sind. Gambella gilt als eine der gefährlichsten und ärmsten Provinzen von Äthiopien. Dort leben in sieben Lagern mehr als 300.000 Flüchtlinge. Insgesamt werden mehr als 700.000 Flüchtlinge in Äthiopien versorgt - neben Menschen aus dem Südsudan auch Frauen, Männer und Kinder aus den Nachbarländern Somalia und Eritrea.
Müller und Heil werden laut Programm am Montag in Addis Abeba politische Gespräche mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed Ali führen. Am Dienstagnachmittag werden die Minister in Deutschland zurückerwartet. Äthiopien hat 109 Millionen Einwohner mit einem Durchschnittsalter von knapp 19 Jahren. Der Anteil der Kinderarbeit - betroffen sind Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 17 Jahren - liegt bei fast 50 Prozent.