Heute sucht Elisa wieder nach der Liebe. Drei Monate lang hat sie ausgesetzt - und nicht mehr ihr Spezial-Mailpostfach aufgemacht, um die Kontaktangebote der verschiedenen Männer zu überprüfen. Elisa, 34 Jahre alt, evangelisch-methodistisch, Verwaltungsangestellte einer großen Hochschule und Single. Auf drei Online-Single-Börsen hat sie Profile, jeweils mit anderem Benutzernamen – denn eigentlich schämt sie sich dafür, dass es nicht "auf dem natürlichem Weg" klappt mit ihr und den Männern. Aber: "Die meisten Männer in meinem Umfeld sind schon verheiratet", sagt sie.
Sie will einen Mann, dem die Religion genauso wichtig ist wie ihr, vor allem aber soll dieser Mann sie lieben und sie ihn. Er soll "der Richtige sein". Seit zwei Jahren sucht sie ihn im Internet. Dabei quälen sie auch religiöse Zweifel: "Sollte ich nicht warten, bis Gott mir jemanden schickt?" Sie hat schon verschiedene Antworten auf die Frage gegeben. Und dreißig Mal Verabredungen mit Online-Datern gehabt. Einmal dachte sie, er wäre es. Sie trafen sich mehrmals, redeten tiefgehend, "ich hatte Herzklopfen, wenn ich seine Stimme hörte". Einige Wochen später stellte sich heraus, dass er sich für eine andere Frau von der Singlebörse mehr interessierte.
"Es ist die praktischste Art, jemanden kennenzulernen"
Elisa ist eine von etwa sieben Millionen Deutschen, die jeden Monat eine Singlebörse im Internet benutzen. Die Zahl ist geschätzt: Der Branchen-Vergleichsdienst singleboersen-vergleich.de hat sie aus Umfragen und den Nutzerdaten verschiedener Anbieter errechnet. Es gibt auch Studien, die 70 Millionen deutsche Single-Profile zählen. "Die meisten davon sind aber Karteileichen", sagt Pamela Moucha, Redaktionsleiterin von singleboersen-vergleich, das sich selbst als eine "Art Stiftung Warentest der Branche" versteht und auf dessen Daten die meisten Unternehmen und Agenturen zurückgreifen.
Benutzerzahlen sind Geld, "je größer der Single-Pool, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit jemanden zu finden", sagt Moucha. "Es wird also oft großzügig nach oben aufgerundet." Groß ist die Branche aber in jedem Fall: Es gibt über 2.500 deutsche Singlebörsen, die 2011 rund 188 Millionen Euro Umsatz machten. "Das Gros des Kuchens teilen sich aber eine Handvoll große Unternehmen", sagt Moucha. Auch ihre Branche ist ein Teil des Marktes: Singlebörsen-Vergleichsseiten gibt es zu Hunderten im Internet. Sie verdienen an ihren Empfehlungen – für eine Vermittlung zur Börsen-Seite gibt es Provision vom Betreiber. "Wir leben von der Qualität unser Informationen", sagt Moucha. "Das macht uns objektiv."
Der Markt trifft auf viele Suchende: Jeder vierte Internetbenutzer hat mindestens einmal eine Singlebörse benutzt, bei Unter-Dreißig-Jährigen ist es sogar jeder Zweite, hat der Bundesverband der Informationswirtschaft Bitkom erhoben. "Es ist die praktischste Art geworden, jemanden kennen zu lernen", sagt Moucha. "Schließlich treffen sich dort geballt andere Singles."
Die meisten wählen ein kostenpflichtiges Angebot
Die meisten machen das in einer klassischen Singlebörse – und da vorwiegend bei den großen wie beim Markführer FriendScout 24 oder Neu.de. Die Mitglieder schreiben eine Art Kontaktanzeige über sich und können auf dem Online-Marktplatz die Anzeigen der anderen Suchenden ansehen. Die Teilnahme am Marktplatz ist in der Regel kostenlos, für das Ansprechen muss der Single oft einen "Premium-Vertrag" abschließen – möglich für mehrere Monate oder gleich ein ganzes Jahr. Bei FriendScout24 kostet eine Premium-Mitgliedschaft zum Beispiel 19,90 Euro für zwölf Monate – dafür gibt es mehr Platz im Postfach und die Möglichkeit zu chatten und anzuschreiben. "Kosten sind kein Zeichen von Unseriösität", sagt Ivona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW. Sie könnten auch ein Filter sein, der Benutzer mit unerwünschten Absichten abschreckt.
So sieht das auch Falk Murko von der Stiftung Warentest, die 2011 einige Angebote von verdeckten Testern ausprobieren ließ. Der Redakteur sieht vor allem eine Schwäche bei den Singlebörsen und Partnervermittlungen: "Sehr viele gehen nicht transparent mit ihren Geschäftsbedingungen um: Sie informieren nicht, dass man das kostenlose 14-Tage-Angebot kündigen muss, wenn man nicht in ein teures Abo hereinrutschen will", sagt Murko. Die Erfolgsaussichten der Singles hat Murko nicht bewertet. "Das kann man nicht", sagt er. "Da spielen zu viele Dinge mit herein, für die auch die Betreiber nichts können."
85 Prozent der Nutzer entscheiden sich für ein kostenpflichtiges Angebot, zeigt der Online-Dating-Report vom singleboersen-vergleich. Am meisten verdienen dabei die Online-Partner-Vermittlungen, deren Kunden auf der Suche nach Langfristigem sind. Sie bieten von Psychologen oder Soziologen ausgearbeitete Tests an und schlagen nach deren Auswertung den Benutzern Partner vor. Selber können sich die Benutzer nicht auf dem Single-Markt umschauen.
Minuten nach Testende melden sich die ersten Kandidaten
Marktführer in diesem Segment ist Parship aus dem Holtzbrinck-Verlag. Wie viele Nutzer registriert sind, will Verlagssprecherin Iris Aldenhoff nicht preisgeben. "Wir hatten 10 Millionen Anmeldungen, seit wir 2001 online gingen", sagt sie. Und nennt eine beeindruckende Erfolgsquote: Etwa 38 Prozent ihrer Benutzer fanden über Parship.de einen Partner. Den wissenschaftlichen Test hat ein eigenes Forscherteam entwickelt. "Liebe garantieren kann er natürlich nicht", sagt Aldenhoff. "Aber er erhöht die Wahrscheinlichkeit, jemand Passenden zu finden."
Der Test dauert fast eine halbe Stunde. Er enthält Fragen wie: Sie sind auf eine private Party eingeladen. Worüber denken Sie vorher nach: Was die anderen über mich denken könnten? Dass ich nicht gerne zu Parties gehe? Es ist mir egal, ich ziehe das bequemste an? Schon wenige Minuten nach Testende melden sich die ersten Kandidaten.
An der wissenschaftlichen Qualität der Tests zweifeln viele – die wirtschaftlichen Konkurrenten natürlich sowieso. Erst im Februar veröffentlichten zwei renommierte US-Psychologen eine Untersuchung über die Unzulänglichkeiten bei der Suche nach dem Algorhythmus der Liebe: dass der Erfolg von Beziehungen davon abhängt, wie man über Meinungsverschiedenheiten diskutiert und nicht, dass es keine gibt. Und dass sich in manchen Bereichen Gegensätze anziehen. "Wie die Testergebnisse miteinander kombiniert werden, verraten die einzelnen Betreiber aber nicht. Das müssen Verbraucher einfach für sich ausprobieren", sagt Falk Murko von der Stiftung Warentest.
Oft lohnt es sich, die Foren zu lesen
Elisa hat sich ausschließlich auf christlichen Dating-Seiten angemeldet. "Mit einem Nicht-Christen kann ich mir keine Beziehung vorstellen und ich denke, dass ich so meine Chancen erhöhe". Ihr Favorit: Christ-sucht-Christ. Auf himmelblauem Hintergrund sind fast 50.000 Singles registriert, bei der Anmeldung wird gleich die religiöse Richtung erfragt: evangelisch, katholisch, methodistisch, baptistisch und mehr. Im Profil der Singles steht, neben Alter, Größe, Gewicht auch die Frage, ob man Alkohol konsumiert. Und es gibt Foren, in denen intensiv diskutiert wird: Über vorehelichen Geschlechtsverkehr oder ob Frauen, wie Paulus es schreibt, den Mann ehren sollen. "Wenn man sich durch die Foren liest, lernt man viel übereinander", sagt Elisa, "und weiß danach besser, wen man wirklich treffen will."
Religiöse Singlebörsen gibt es mehrere in Deutschland – auch für Muslime und Juden. "Nischenbörsen sind das kleinste Marktsegment und haben oft niedrigere Mitgliederzahlen", sagt Branchenkennerin Pamela Moucha: "Dafür sind sie für Leute mit besonderen Interessen oder besonderen Lebenssituationen zielgenauer und damit auch geeigneter." Es gibt Angebote für große, kleine, dicke und dünne Menschen, Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen, für Singles über 50, für Homosexuelle, Menschen mit unterschiedlichen esoterischen Weltanschauungen, Veganer, Alleinerziehende. Auch die verschiedenen deutschen Einwanderergruppen haben eigene Singlemärkte und in vielen Städten werden lokale Angebote gemacht.
Seitenspringer, Heiratsschwindler und Online-Lügner
Bei vielen dieser Angebote stehe die soziale Idee und nicht der Profit im Vordergrund, so Moucha. "Finanziell immer erfolgreicher werden dagegen Angebote, bei denen sich die User zu Seitensprüngen oder unverbindlichem Sex verabreden", sagt Moucha. Adult-Dating oder Casual Dating heißt das in der Branchensprache. Um Langfristiges geht es dabei nicht – aber auch der Single-Riese Friendscout 24 hat die Sparte mit dem Angebot "Secret" mit ins Programm genommen.
"Auf den großen Single-Plattformen sind Kinder oft ein Grund für Singles, sich nicht mit jemandem zu treffen", sagt Irene Hüber, die mit Moms-dads-kids.de, die größte Plattform für Alleinerziehende leitet. "Hier melden sich von vornherein nur Leute an, die mit Kindern leben oder sich das gut vorstellen können." Probleme mit unechten Profilen hat auch sie. Vor allem die in der Branche als "Nigeria-Fraktion" bekannten User machen ihr zu schaffen: Betrüger, die mit einer rührseligen Geschichte und scheinbaren Beziehungsinteresse sehr schnell Geldüberweisungen fordern. "Heiratsschwindler gibt es aber auch offline", sagt sie. "Online ist Lügen noch einfacher, das stimmt, aber seinen Menschenverstand durfte man auf der Partnersuche noch nie ausschalten."
Elisa hat sich diesmal gleich zweimal verabredet: Zum Essen beim Italiener mit einem verwitweten Kirchenmusiker, der ihr schrieb, er sei suchend und fragend, fühle aber viel Liebe in sich - und mit einem Theologiestudenten, dessen Bild ihr gefiel. "Es kann sein, dass der eine so verzweifelt sucht, dass er jeder das Gleiche erzählt", meint sie. "Und dass der andere einfach nur gut aussieht." Es kann auch anders werden – hofft sie.
Dieser Artikel ist erstmals erschienen am 16. April 2012 und teilweise aktualisiert.