München (epd). Gemeinnützige Einrichtungen zur Integration behinderter oder anderer benachteiligter Menschen in Deutschland müssen für ihre Außenumsätze in der Regel die volle Umsatzsteuer zahlen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am Donnerstag München veröffentlichten Grundsatzurteil im Fall einer Werkstatt für behinderte Menschen entschieden. (AZ: XI R 2/17) Allein die Mitarbeit behinderter oder anders benachteiligter Menschen in der Einrichtung reicht für den Anspruch auf einen ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent nicht aus, urteilten die Münchener Richter.
Im konkreten Fall hatte eine Werkstatt für behinderte Menschen unter anderem ein Bistro und eine öffentliche Toilette betrieben. In dem Bistro arbeiteten drei behinderte Langzeitarbeitslose, deren Stellen öffentlich gefördert wurden. Für die Außenumsätze berücksichtigte die Behindertenwerkstatt den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent und nicht den vollen Steuersatz von 19 Prozent.
Die Einrichtung berief sich auf die Abgabenordnung und das Umsatzsteuergesetz. Sie sei ein sogenannter Zweckbetrieb, da hier mindestens 40 Prozent behinderte Menschen arbeiten. Erbringen Zweckbetriebe Leistungen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, sei für Umsätze der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden.
Der BFH urteilte, dass dies den ermäßigten Umsatzsteuersatz nach den gesetzlichen Vorschriften und nach EU-Recht nicht begründen könne. Stehen gemeinnützige Betriebe in unmittelbarem Wettbewerb mit Wirtschaftsunternehmen, seien die Außenumsätze grundsätzlich nach dem vollen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zu versteuern. Dies seien "zwingende Vorgaben des Unionsrechts".
Nur wenn bei den erbrachten Leistungen kein Wettbewerb mit Wirtschaftsbetrieben besteht oder wenn mit den Leistungen "die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht werden", könne ein ermäßigter Steuersatz infrage kommen. Dies sei aber nicht der Fall, wenn die Leistungen in erster Linie den Zwecken der Kunden und nicht der benachteiligten Menschen dienen.
Im vorliegenden Fall dienten die Gastronomieleistungen des Klägers in erster Linie dem Kunden und nicht den behinderten Beschäftigten, rügte der BFH. Grundsätzlich fiele dann der volle Umsatzsteuersatz von 19 Prozent an.
Den konkreten Fall verwiesen die obersten Finanzrichter an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurück. Dieses muss noch prüfen, ob aus anderen Gründen ein ermäßigter Umsatzsteuersatz infrage kommt, etwa wenn Speisen lediglich zur Mitnahme angeboten werden.