Im Weißen Haus versammelten sich jüngst rund zwei Dutzend evangelikale Pastoren. Sie beteten für Donald Trump und legten ihm die Hände auf. Sie schätzen dessen Haltung als "Kulturkrieger" und seine Einstellung gegen Abtreibung. Das angestrebte Amtsenthebungsverfahren sei eine Attacke "auf unsere eigenen tief verwurzelten Glaubenswerte", erläuterte der teilnehmende baptistische Megakirchenpastor Robert Jeffress. Der baptistische Prediger Franklin Graham, häufig zitierter evangelikaler Wortführer für republikanische Anliegen, verurteilte auf Facebook das geplante Verfahren gegen Trump als "Inquisition".
Das "Museum der Bibel" in Washington sponserte im Oktober eine Gesprächsveranstaltung zur "Krise in der evangelikalen Christenheit". Im allgemeinen Sprachgebrauch sei "evangelikal" heutzutage ein politischer Begriff, bedauerte der Historiker Kidd von der baptistischen Baylor Universität in Texas. Es gebe zudem unterschiedliche Ansichten darüber, was evangelikal bedeutet, heißt es in einem "Baptist Press"-Beitrag, dem Informationsdienst des evangelikal geprägten Südlichen Baptistenverband.
Rechtschaffen, gegen Abtreibung
Er selbst verstehe sich als einen evangelikalen Christen, sagte Kidd dem Evangelischen Pressedienst. Das bedeute: Er sei als Teenager im religiösen Sinn neu geboren worden. Evangelikale definieren sich durch dieses "born again"-Erlebnis, die Treue zur Bibel, eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus und die Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde. In seiner baptistischen Gemeinde spreche man in erster Linie über den christlichen Glauben und nicht über Politik, fügte der Autor Kidd hinzu.
Weiße Evangelikale wählen seit den 1950er Jahren im allgemeinen republikanische Politiker. Diesen werde persönliche Rechtschaffenheit zugebilligt. Zudem würden sie Respekt für die Religion zum Ausdruck bringen, heißt es in "Wer ist ein Evangelikaler". Trump sei diese Vorliebe für die Republikaner zu Gute gekommen, obwohl prominente Evangelikale wegen seines Lebenswandels anfangs skeptisch gewesen seien. Doch Trump habe letztlich viele Evangelikale davon überzeugen können, dass er ihre Anliegen ernst nimmt - vor allem wegen seiner ablehnenden Haltung gegen Schwangerschaftsabbrüche.
Evangelikal nicht gleich evangelikal
Die Unterstützung für Trump bleibt für manche Evangelikale jedoch zwiespältig: Ihnen sei es nicht gelungen, Trumps Politik christlicher zu machen, befand der Redenschreiber von Präsident George W. Bush, Michael Gerson, kürzlich in der "Washington Post". Vielmehr hätten sich viele Evangelikale mehr an Trump angepasst. Der Historiker Kidd sagte, er sei skeptisch bei Befragungen von "Evangelikalen". Er vermute, dass sich viele auf Grund "ethnischer, politischer und regionaler Motive" besonders im Süden der USA selbst als "evangelikal" bezeichneten - ohne es im traditionellen Sinn zu sein.
Bei der Veranstaltung im Washingtoner Bibelmuseum sagte der Leiter der Ethikkommision im Südlichen Baptistenverband, Russell Moore, es gebe derzeit keine Alternative zur Bezeichnung evangelikal. In der Zukunft werde sich die weiße evangelikale Welt jedoch mit den Auswirkungen ihrer Unterstützung für Trump auseinandersetzen müssen, sagte Kidd dem epd.
Das Gesicht des evangelikalen Christentums in den USA verändere sich, fügte er hinzu. Weiße evangelikale Kirchen erlebten wenig Wachstum. Im Gegensatz zu evangelikalen Immigranten-Kirchen aus Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien. Und diese Gläubigen hätten oft ganz andere politischen Ansichten.