Würzburg (epd). Die Umsetzung der Grundrente könnte die Praktiker noch vor große Schwierigkeiten stellen. Davor warnten am Mittwoch in Würzburg die Spitzen der Deutschen Rentenversicherung. Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Doch schon bald werden die Einnahmen sinken und die Ausgaben steigen.
Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, schloss nicht aus, dass man Übergangslösungen benötigen könnte oder zunächst pauschalierte Zahlungen in Betracht ziehen müsse, damit die Grundrente Anfang 2021 wie geplant eingeführt werden könne. Insbesondere der relativ kurze Zeitraum für die Entwicklung automatisierter Verfahren zum Datenabgleich sei "aus Sicht der Rentenversicherung problematisch", erklärte Roßbach.
Union und SPD haben sich auf einen Kompromiss zur Einführung einer Grundrente für langjährige Geringverdiener mit 35 Betragsjahren verständigt, der auch eine Einkommensprüfung vorsieht. Dafür soll die Rentenversicherung über einen automatisierten Datenabgleich mit den Finanzämtern zusammenarbeiten. Roßbach sagte, die Finanzbehörden hätten bereits vor dem Koalitionsbeschluss erklärt, sie bräuchten für die Entwicklung solcher Verfahren normalerweise zwei Jahre.
Roßbach erklärte, die Rentenversicherung müsse von den 21 Millionen Rentnern diejenigen mit niedrigen Renten herausfiltern, die die Voraussetzungen für eine Grundrente erfüllen. Hinzu kämen die Neurentner. Schon wegen der hohen Zahl müsse die Überprüfung weitgehend automatisiert erfolgen. Gelinge dies nicht, würde die Rentenversicherung deutlich mehr Personal benötigen, sagte Roßbach.
Der gegenwärtige Vorsitzende der Arbeitgeberseite im Vorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, äußerte sich skeptisch zu den Finanzierungsplänen der Koalition. Er sagte, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, aus der nach dem Willen der Koalition der größere Teil der Ausgaben von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Grundrente finanziert werden soll, sei nicht sicher. Auf europäischer Ebene gebe es dazu keinen Konsens. Es sei auch nicht klar, ob durch die Steuer, wenn sie denn rechtzeitig komme, die Mehrausgaben tatsächlich gedeckt würden, sagte Gunkel weiter. Die Grundrente müsse aber "von Anfang an in vollem Umfang" aus Steuermitteln finanziert werden. Dies habe die Koalition zugesichert.
Finanziell steht die Rentenversicherung weiter gut da. Gunkel zufolge können die Rentner auch im kommenden Jahr wieder mit Beitragserhöhungen von rund drei Prozent, im Osten Deutschlands voraussichtlich knapp vier Prozent, rechnen. Das Rentenniveau - also das Verhältnis einer Standardrente zum Durchschnittseinkommen - liegt gegenwärtig bei 48,2 Prozent und wird bis 2025 den Prognosen zufolge nicht unter 48,1 Prozent sinken.
Die Einnahmen der Rentenversicherung werden nach Angaben Gunkels in diesem Jahr um knapp fünf Prozent auf voraussichtlich 321 Milliarden Euro steigen. Ihnen stehen Ausgaben von voraussichtlich 319 Milliarden Euro gegenüber. Von 2021 werden die Einnahmen dann zurückgehen, vor allem weil die Zahl der Beitragzahler sinkt. Zugleich steigen die Ausgaben, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Den Prognosen zufolge sinken die Rücklagen bis 2024 so stark ab, dass 2025 der Rentenbeitrag deutlich von heute 18,6 Prozent auf dann 19,8 Prozent erhöht werden müsste.
Gunkel sagte, um diesen Sprung zu vermeiden, hoffe er auf Vorschläge der Rentenkommission. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll im März kommenden Jahres Vorschläge zur Weiterentwicklung der Rentenversicherung ab 2025 vorlegen.
Der Renten-Experte und frühere Regierungsberater Bert Rürup, sagte der Wochenzeitung "Die Zeit", die eigentliche Herausforderung beginne, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gingen. Er nannte den Grundrenten-Beschluss der Koalition einen "überraschend vernünftigen Kompromiss", prognostizierte angesichts der Herausforderungen aber zugleich, dass sie nach 2025 wieder abgeschafft werden könnte.