Anwalt Docke: Staat drückt sich bislang vor Rücknahme von IS-Kämpfern
12.11.2019
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Bremen (epd). Der Bremer Strafrechtsexperte Bernhard Docke hat angesichts der bevorstehenden Abschiebung mutmaßlicher IS-Anhänger aus der Türkei auf die völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands hingewiesen, eigene Staatsangehörige aufzunehmen. Die Bundesregierung habe sich lange davor gedrückt, sich um die deutschen ehemaligen IS-Kämpfer und ihre Familien zu kümmern, sagte Docke dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Der deutsche Staat muss sie aus der Gefahrenzone holen und hier in rechtsstaatlichen Verfahren klären, ob und wenn ja welche Straftaten sie begangen haben. Die verantwortlichen Politiker dürfen sich nicht länger wegducken."

Ebenso wie Deutschland von anderen Ländern verlange, dass sie etwa abgelehnte Asylbewerber oder Straftäter zurücknähmen, müsse es dieser Pflicht auch selbst nachkommen, sagte der Rechtsanwalt, der Anfang der 2000er Jahre den Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz erfolgreich verteidigt hat. Die Türkei will nach eigenen Angaben in dieser Woche zehn deutsche Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die in der Türkei in Haft sitzen, nach Deutschland abschieben. Es soll sich unter anderem um eine aus Niedersachsen stammende siebenköpfige Familie handeln. Bis zu 80 deutsche IS-Sympathisanten mit rund 100 Kindern sollen noch in türkischen Gefängnissen oder in von Kurden bewachten Lagern in Nordsyrien leben.

Docke sagte, eine strafrechtliche Verfolgung der nach Deutschland abgeschobenen Menschen hänge davon ab, ob sich eventuelle Verbrechen nachweisen ließen. Beweise für die Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland könnten etwa türkische Behörden oder Propaganda-Videos liefern. Lägen diese vor, könne Anklage vor den zuständigen Oberlandesgerichten erhoben werden. Bei entsprechendem Tatverdacht könnten die Rückkehrer dann auch direkt bei der Einreise in Untersuchungshaft genommen werden.

Niemand könne jedoch für ein und dieselbe Tat doppelt bestraft werden, betonte Docke. Sollten die IS-Anhänger also bereits in der Türkei eine Strafe wegen IS-Aktivitäten abgesessen haben, könnten sie in Deutschland für dieselben Taten nicht erneut angeklagt werden.

Wenn die deutschen Behörden lediglich ein "diffuses Gefühl" hätten, die Rückkehrer hätten einst für den IS gekämpft, könnten diese bei ihrer Ankunft in Deutschland gehen, wohin sie wollten. Gleiches gelte für Frauen, denen nichts nachzuweisen sei, und Kinder. Die Behörden könnten Verdächtige dann präventiv überwachen lassen.