Passau (epd). Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat den Kompromiss der großen Koalition zur Grundrente scharf kritisiert. "Ich halte ihn ein bisschen für eine Mogelpackung", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Er erlaubt beiden Seiten, das Gesicht zu wahren." Die SPD könne sagen, es gebe keine Prüfung der Bedürftigkeit, während CDU und CSU das Gegenteil behaupten könnten.
"Wenn man ehrlich ist, wird über die Einkommenssituation die Bedürftigkeit nämlich doch geprüft", erklärte Fratzscher. Die Union habe sich also mit ihrer Forderung eher durchgesetzt. Der Kompromiss sei zwar "ein kleiner Schritt in die richtige Richtung", werde das Problem der Altersarmut aber nicht lösen, sagte der DIW-Präsident. Auch wer die Grundrente erhalte, könne in die Altersarmut abrutschen, da es sich um eine Absicherung "am ganz, ganz unteren Ende der Einkommensskala" handele. Um Altersarmut generell einzudämmen, müssten die Rentenansprüche von Geringverdienern systematisch erhöht werden.
Die große Koalition hatte sich am Sonntag nach monatelangen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach sollen rund 1,5 Millionen Menschen von 2021 an automatisch einen Zuschlag auf ihre Rente erhalten, damit sie nach einem langen Arbeitsleben mehr haben als die Grundsicherung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte ursprünglich ein Konzept für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung vorgelegt. Dies lehnte die Union jedoch ab. Vereinbart wurden nun Einkommensprüfungen auf der Basis der Daten, die den Finanzämtern vorliegen.
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