Berlin (epd). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich am Montag zufrieden über den Kompromiss der großen Koalition zur Grundrente gezeigt. Eine Grundrente einzuführen sei früheren Regierungen nicht gelungen: "Dass wir das jetzt endlich hingekriegt haben, zeigt die Arbeitsfähigkeit der Koalition", sagte Heil in Berlin. Rund 1,5 Millionen Menschen sollen von 2021 an automatisch einen Zuschlag auf ihre Rente erhalten, damit sie nach einem langen Arbeitsleben mehr haben als die Grundsicherung. Bei der Opposition und der SPD-Linken stießen die Beschlüsse auf Kritik, Sozialverbände begrüßten sie. Viele Details sind noch offen.
Heil hatte ursprünglich ein Konzept für eine Grundrente ohne eine Bedürftigkeitsprüfung vorgelegt, wonach etwa drei Millionen Menschen mit einer Aufstockung ihrer Rente hätten rechnen können. Die Union war aber nicht bereit, eine Grundrente ohne Prüfung einzuführen. Nach monatelangen Verhandlungen hat die Koalition nun Einkommensprüfungen vereinbart auf der Basis der Daten, über die die Finanzämter verfügen.
Heil sagte, ihm sei wichtig gewesen, dass die Grundrente automatisch ausgezahlt werde und niemand Anträge ausfüllen müsse. Er kündigte auch an, dass es Übergänge geben werde, um zu verhindern, dass jemand mit 35 Beitragsjahren die Grundrente bekommt, mit 34 Beitragsjahren aber gar nichts gezahlt werde.
Zur Finanzierung der Grundrente, die nach Heils Angaben rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr kosten und 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen zugutekommen soll, will die Koalition die Finanztransaktionssteuer heranziehen, die Heil zufolge ebenfalls 2021 eingeführt werden soll. Ein Anteil von 400 Millionen Euro soll aus dem Haushalt des Arbeitsministeriums kommen. Die Grundrente werde nicht zu Beitragserhöhungen in der Rentenversicherung führen, versicherte Heil.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die geplante Einkommensprüfung als "zynisch". Für E-Autos gebe es üppige Kaufprämien, aber bei der Grundrente schaue man ins Portemonnaie von Rentnern, die jahrzehntelang Rentenbeiträge gezahlt hätten, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Der SPD-Sozialpolitiker Karl Lauterbach sagte der "Welt", es sei enttäuschend, dass Frauen, die 35 Jahre bei schlechter Bezahlung gearbeitet hätten, nun womöglich aufgrund der Einkünfte ihres Ehepartners keine eigene Grundrente bekämen.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte niedrigere Zugangshürden zur Grundrente. Die Grünen wollten dafür werben, dass 30 Jahre Beitragzeiten reichen müssten, sagte sie den Funke-Zeitungen. Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg wiederum kritisierte in der Tageszeitung "Die Welt", Union und SPD schafften keine konsequente Linderung von Altersarmut, sondern vielmehr neue Ungerechtigkeiten und ließen die Finanzierung der Grundrente ungeklärt.
Sozialverbände und Gewerkschaften begrüßten die Einigung hingegen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes Ulrich Schneider sprach von einem intelligenten Kompromiss. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Einigung sei ein wichtiger Schritt, um die Menschen vor Altersarmut zu schützen und ihre Lebensleistung anzuerkennen. Die Sicherung im Alter sei eines der drängendsten Probleme. Eine Einkommensprüfung sei legitim, weil diejenigen, die letztlich für das Geld aufkommen müssen, damit wüssten, dass kein Steuergeld mit der Gießkanne ausgegeben werde.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte, von der Grundrente würden vor allem Frauen profitieren und sie werde in vielen Fällen den Gang zum Sozialamt verhindern. Buntenbach kritisierte aber, dass die Einkommensprüfung vor allem für verheiratete Frauen nachteilig sei. Man hätte getrost auf sie verzichten können.
Die Grundrente soll aus Steuern finanziert werden und Menschen zugutekommen, die 35 Jahre lang in die staatliche Altersvorsorge eingezahlt haben und dennoch kaum von den Bezügen leben können. Sie sollen eine Rente erhalten, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Voraussetzung ist, dass die Beitragsleistung in den 35 Jahren unter 80, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Minijobber haben keinen Anspruch auf die Grundrente. Als Beitragszeiten werden neben Arbeitsjahren auch Erziehungszeiten, Pflichtbeitragsjahre für Pflege und Krankheitszeiten anerkannt.