Frankfurt a.M., Hanoi (epd). Nach dem Fund von 39 Leichen in einem Lastwagen in Großbritannien will der vietnamesische Ministerpräsident Nguyen Xuan Phuc untersuchen lassen, wie viele Landsleute in jüngster Zeit möglicherweise Opfer von Menschenschmuggel nach Europa wurden. Die Ermittlungen sollten insbesondere in zwei Provinzen Zentralvietnams durchgeführt werden, kündigte er laut einem Bericht des englischsprachigen Nachrichtenportals VNExpress in der Nacht zum Sonntag an.
In Vietnam fanden Gebete und Mahnwachen für die Vermissten statt. Laut VNExpress haben sich mehr als ein Dutzend vietnamesische Familien zu Wort gemeldet, die Angehörige unter den Opfern befürchten. Diese könnten nach eigenen Angaben ihre Kinder seit dem 23. Oktober nicht mehr kontaktieren.
Die Toten waren am Mittwoch in einem Lastwagen in der Stadt Grays östlich von London entdeckt worden. Die britischen Behörden waren zunächst davon ausgegangen, dass es sich um Chinesen handeln könnte. Später wurde gemutmaßt, dass die Toten falsche chinesische Pässe bei sich gehabt hätten. Am Samstag wurde der nordirische Fahrer des Lastwagens wegen Totschlags in 39 Fällen sowie Beihilfe zum Menschenschmuggel und Geldwäsche angeklagt. Insgesamt nahm die britische Polizei fünf Verdächtige fest.
Erste Anzeichen dafür, dass zumindest einige der Toten aus Vietnam stammen könnten, waren aufgekommen, nachdem die Familie einer 26-jährigen Vietnamesin kurz zuvor eine SMS ihrer Tochter erhalten und veröffentlicht hatte. Darin hatte die junge Frau geschrieben: "Mein Weg ins Ausland war erfolglos. Mama, ich liebe dich und Papa so sehr. Ich sterbe, weil ich nicht atmen kann."
Laut dem britischen Rundfunksender BBC hat VietHome, eine Organisation von in Großbritannien lebenden Vietnamesen, Fotos von bis zu 20 Vermissten an die Polizei weitergegeben. Zudem gehen Ermittler Berichten nach, denen zufolge der Lastwagen Teil eines Konvois aus insgesamt drei Fahrzeugen war, die etwa 100 Menschen transportiert haben sollen.
Kritiker machten seit Jahren auf das wachsende Problem von Menschenhandel aufmerksam, schrieb die britische Zeitung "Guardian". Das betreffe nicht zuletzt Kinder und junge Erwachsene aus Vietnam, die unter falschen Versprechungen nach Großbritannien gelockt würden. Dort würden sie ausgebeutet und oft auch in die Prostitution gezwungen.