In den USA ist es mit dem Glauben für die Partei der Demokraten gar nicht so einfach: Viele ihrer Stammwähler - besonders junge - sind nicht religiös. Zugleich stehen viele Demokraten in der Tradition der afro-amerikanischen Kirchen. Der Wahlkampf wird daher zum Spagat: Häufig sprechen sie davon, dass die Moral die Wirtschaftspolitik bestimmen müsse. Präsidentschaftsanwärterin Elizabeth Warren wirbt mit ihrer früheren Tätigkeit als Sonntagsschullehrerin. Dagegen spricht Bernie Sanders so gut wie nie über seine jüdische Identität, Ex-Vizepräsident Joe Biden wenig über seinen katholischen Glauben.
Auf republikanischer Seite bleiben die Verhältnisse übersichtlich. Unter dem Druck eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens setzt Trump auf konservativ orientierte, weiße, evangelikale und protestantische Wähler. Die Erwartung der Opposition, der zu Beschimpfungen auf Twitter neigende Präsident werde seine frommen Fans vergraulen, ist nicht wahr geworden. Laut dem Forschungsinstitut Public Religion Research Institute sind 76 Prozent der weißen Evangelikalen mit Trumps Amtsführung zufrieden, wobei 52 Prozent bei einer kürzlichen Befragung die Hoffnung äußerten, der Staatschef werde sich künftig mehr wie seine Vorgänger benehmen.
Demokraten setzen auf "humanistische Werte"
Trump schätzt diese Schützenhilfe. Evangelikale können mit ihren Kirchen und Verbänden Wähler mobilisieren. "Ihr seid die Krieger an der Front zur Verteidigung der amerikanischen Freiheit", sagte der Präsident Mitte Oktober bei einer Konferenz des konservativen Verbandes "Koalition für Glauben und Freiheit". "Extremistische linke Radikale" wollten Tradition und Glauben zerstören, die Amerika zur größten Nation gemacht hätten. Er trete dem entgegen mit der Ernennung "verfassungstreuer" Richter.
Trumps "Make America Great Again" kommt offenbar an in den weißen evangelikalen und protestantischen Kreisen, wo man den Verlust gesellschaftlicher Vorherrschaft erlebt. Justizminister Robert Barr behauptete kürzlich bei einer Ansprache in der katholischen Notre-Dame-Universität in Indiana, die "modernen Säkularisten" lehnten Moralität als "Aberglauben" ab. "Moralischer Relativismus" habe böse Auswirkungen auf die Gesellschaft - von Gewaltverbrechen bis hin zur Todesfällen durch Drogenkonsum.
Demokratische Politiker kalkulieren anscheinend, sie könnten wegen der steigenden Zahl von Wählerinnen und Wählern ohne religiöse Bindung punkten. Der Parteivorstand der Demokraten verabschiedete im August eine Resolution, Menschen "ohne religiöse Bindung" teilten mit großer Mehrheit die Werte der Demokratischen Partei. 70 Prozent von ihnen hätten bei den Zwischenwahlen 2018 demokratisch gewählt. "Universelle humanistische Werte" müssten in der Partei repräsentiert sein.
Weniger Enthusiasmus als Sorge
Präsidentschaftsanwärter Beto O'Rourke hat bei einem Kandidatenforum im Kabelsender CNN mit Ja auf die Frage geantwortet, ob religiöse Einrichtungen und Kirchen ihre Steuerbefreiung verlieren sollten, wenn sie sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stellen. Reaktionen waren vorhersehbar. Konservativ orientierte Christen sahen ihre These bestätigt, Demokraten stünden dem Glauben feindlich gegenüber. Der Chef-Ethiker in der protestantischen Kirche "Southern Baptist Convention", Russell Moore, sprach von einem "alarmierenden" Vorstoß.
Mehrere demokratische Politiker haben O'Rourke zurückgepfiffen. Besonders schwierig ist die Auseinandersetzung zur Abtreibungsfrage, die Republikaner und Demokraten trennt. Ihr Ja zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch macht demokratische Kandidaten in den Augen vieler Abtreibungsgegner nicht wählbar. Christen müssten gegen die "Abtreibungsindustrie" stimmen, betonte der baptistische Prediger Franklin Graham.
In der evangelikalen Welt wird freilich auch darüber debattiert, ob die Nähe zu Trump wirklich gut ist für den christlichen Glauben. Die evangelikale Bewegung stecke in einer Identitätskrise, warnte der neu gewählte Präsident der "Nationalen Vereinigung der Evangelikalen", Walter Kim, in der Zeitschrift "Christianity Today". Manche Evangelikalen wählen Trump freilich nicht aus Enthusiasmus, sondern aus Sorge um das, was käme, sollte ein Demokrat gewinnen.