Berlin, La Paz (epd). Die Europäische Union hat sich im Streit über das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Bolivien für eine Stichwahl ausgesprochen. Die beste Möglichkeit, um Vertrauen wiederherzustellen und die Entscheidung des Volkes zu respektieren, wäre eine zweite Wahlrunde, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Donnerstagabend. Amtsinhaber Evo Morales hatte sich zuvor zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Oppositionskandidat Carlos Mesa sprach von Wahlbetrug und sagte, er werde das Ergebnis nicht anerkennen.
Zuvor hatte auch die Wahlbeobachtermission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) große Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmzettel kritisiert und für eine Stichwahl plädiert. Die OAS hat rund 90 Wahlbeobachter entsandt. Auch die katholische Kirche in Bolivien unterstützt einen zweiten Wahlgang.
Nach Auszählung von rund 99 Prozent der Stimmen kommt der Sozialist Morales auf 47,07 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Mesa vom oppositionellen Bündnis "Comunidad Ciudadana" auf 36,53 Prozent, wie die Wahlkommission laut der Tageszeitung "La Razón" am Donnerstagabend (Ortszeit) mitteilte. Damit hat Morales die notwendigen zehn Prozentpunkte Abstand zum Zweitplatzierten, um im ersten Wahlgang zu gewinnen. Bei einer Stichwahl würde sich voraussichtlich die zersplitterte Opposition zusammenschließen, was die Chancen des Amtsinhabers deutlich verringern würde.
In mehreren Städten kam es erneut zu Unruhen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern der Opposition und Morales' "Bewegung für Sozialismus" (MAS). In der Oppositionshochburg Santa Cruz wurde eine Ausgangssperre verhängt. In Las Paz versammelten sich Tausende Menschen zu einer friedlichen Demonstration und forderten eine Stichwahl, "damit Bolivien wieder befriedet wird".
Morales regiert das Andenland seit 13 Jahren. In einem Referendum hatte sich 2016 eine knappe Mehrheit der Bevölkerung gegen eine vierte Amtszeit von Morales ausgesprochen. Das Urteil des Referendums erkannte der Sozialist allerdings nicht an. Das Verfassungsgericht, besetzt mit regierungstreuen Richtern, urteilte 2017, es sei sein "Menschenrecht", erneut kandidieren zu können. Bei einer Wiederwahl wäre Morales bis 2025 im Amt.