Berlin, La Paz (epd). In Bolivien hat die Opposition der Regierung Wahlfälschung vorgeworfen und ihre landesweiten Proteste fortgesetzt. In La Paz, Cochabama und anderen Städten kam es am Mittwoch (Ortszeit) erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen von Oppositionsanhängern und Polizei, wie die Tageszeitung "El Deber" berichtete. Demonstranten legten in der Oppositionshochburg Santa Cruz Feuer vor dem Büro der Wahlkommission. Die Opposition hat zudem zu einen Generalstreik ausgerufen. Sie verlangt eine Neuauszählung der Stimmen der Präsidentenwahl vom Sonntag.
Staatspräsident Evo Morales warf der Opposition dagegen vor, zusammen mit internationaler Unterstützung einen Staatsstreich gegen ihn zu planen. Er rief "das bolivianische Volk zur Verteidigung der Demokratie" auf. In La Paz kamen Tausende Anhänger seiner "Bewegung für Sozialismus" (MAS) zu einer Kundgebung zusammen.
Nach Auszählung von 98,09 Prozent der Stimmen lag Morales laut dem Obersten Wahlgericht mit 46,77 Prozent vorn, Oppositionskandidat Carlos Mesa kam auf 36,75 Prozent. Damit würde der Sozialist Morales ganz knapp im ersten Wahlgang gewinnen. Nach Veröffentlichung der ersten Zwischenergebnisse am Sonntagabend hatte alles auf eine Stichwahl zwischen Morales und Mesa vom oppositionellen Bündnis "Comunidad Ciudadana" hingedeutet.
Nach einer Unterbrechung der Bekanntgabe der Wahlergebnisse von rund einem Tag erklärte die Wahlkommission, alles deute auf einen Sieg von Morales hin. Um in der ersten Wahlrunde zu gewinnen, muss der Sieger nach bolivianischem Recht mehr als 40 Prozent der Stimmen und mindestens zehn Prozentpunkte Vorsprung haben.
Die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) äußerten sich besorgt über den "drastischen und unerklärlichen Wandel" der Stimmen im Vergleich zum vorherigen Ergebnis. Sie plädieren ebenfalls für eine Neuauszählung. "Die Wahlergebnisse müssen glaubwürdig sein und von der ganzen Bevölkerung akzeptiert werden, nicht nur von einem Teil", erklärte die OAS, die rund 90 Wahlbeobachter nach Bolivien entsandt hat.
Morales will für eine vierte Amtszeit wiedergewählt werden, obwohl die Verfassung das nicht erlaubt und eine Mehrheit der Wähler das in einem Referendum ablehnte. Das von politischen Weggefährten dominierte Verfassungsgericht hat seine erneute Kandidatur aber gebilligt. Eine Stichwahl will Morales vermeiden. Denn dann könnte sich die zersplitterte Opposition zusammenschließen.