München (epd). Jeder vierte Deutsche (27 Prozent) hegt laut einer Studie des Jüdischen Weltkongresses antisemitische Gedanken. In der Umfrage äußerten 41 Prozent die Meinung, Juden redeten zu viel über den Holocaust, wie die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) berichtete. Auch Aussagen wie Juden hätten zu viel Macht in der Wirtschaft oder trügen die Verantwortung für die meisten Kriege auf der Welt seien auf relativ große Zustimmung gestoßen. Für die repräsentative Erhebung wurden vor zweieinhalb Monaten, also vor dem Anschlag in Halle vom 9. Oktober, 1.300 Menschen befragt.
Fast zwei Drittel (65 Prozent) der Deutschen nehmen laut der Umfrage einen wachsenden Antisemitismus wahr und bringen diesen mit dem Erfolg rechtsextremer Parteien in Verbindung, wie es weiter hieß. Zugleich wachse aber auch die Bereitschaft der Deutschen, gegen Antisemitismus vorzugehen. Ein Drittel aller Befragten würde nach eigenen Angaben dagegen auf die Straße gehen. Etwa 60 Prozent räumten ein, dass Juden einem Gewaltrisiko oder hasserfüllten Verbalangriffen ausgesetzt seien.
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, sagte, Antisemitismus habe in Deutschland einen Krisenpunkt erreicht. Wenn sich mehr als Viertel der Gesellschaft mit Antisemitismus identifiziere, sei es an der Zeit für die restlichen drei Viertel, Demokratie und tolerante Gesellschaften zu verteidigen, sagte er der Zeitung. Deutschland habe eine einmalige Verpflichtung, die Rückkehr von Intoleranz und Hass zu verhindern. Der Jüdische Weltkongress ist die Dachorganisation jüdischer Gemeinden und Organisationen aus mehr als 100 Ländern.