Celle, Bremen (epd). Gesetzliche Krankenkassen müssen Patienten laut einem Gerichtsurteil unter bestimmten Bedingungen die Kosten einer fixierbaren GPS-Uhr mit Alarmfunktion erstatten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab mit dieser am Montag in Celle bekanntgemachten Entscheidung der Klage eines 19-Jährigen statt (Az L 16 KR 182/18).
Der junge Mann leidet den Angaben zufolge an einem Down-Syndrom mit geistiger Behinderung und Weglauftendenz. Sein behandelnder Arzt habe bei der Krankenkasse eine GPS-Notfalluhr beantragt, die Alarm auslöst, sobald er einen definierten Aufenthaltsbereich verlässt. Die Begründung für den Antrag: Die Uhr sei erforderlich, da der Patient sich durch Orientierungslosigkeit selbst gefährde und in seiner Einrichtung nicht ständig beaufsichtigt werden könne. Herkömmliche Notrufsysteme habe er bislang eigenständig entfernt. Die GPS-Uhr könne jedoch an seinem Handgelenk fixiert werden.
Die Krankenkasse hielt die Uhr für kein Mittel des Behinderungsausgleichs. Nach ihrer Ansicht sind Mechanismen wie abgeschlossene Türen und ständige Begleitung vorrangig. Das Gerät erleichtere auch nicht die Pflege, sondern diene der Patientenüberwachung.
Dagegen bewertete das Landessozialgericht das Gerät als spezielles Hilfsmittel für Behinderte. Es stützte sich dabei maßgeblich auf den neuen Behinderungsbegriff, der das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe in den Vordergrund rückt. Durch die Uhr könnten die Folgen der geistigen Behinderung abgemildert werden, indem Mobilität und Bewegungsfreiheit überhaupt erst ermöglicht würden.
Die Ortungsfunktion des GPS-Systems erlaube dem 19-Jährigen einen gewissen Bewegungsradius. Unter den gegebenen Umständen führe die am Handgelenk fixierte GPS-Überwachung zu einer Reduzierung der bestehenden Isolation und Freiheitsentziehung. Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles ließ das LSG die Revision zu.