Forscher: Weitere Gewalt zwischen Türken und Kurden möglich
Drei Fragen an den Türkei-Experten Caner Aver
18.10.2019
epd
epd-Gespräch: Michael Bosse

Essen (epd). Die türkische Militäroffensive in Nordsyrien sorgt für wachsende Spannungen zwischen türkischen und kurdischen Volksgruppen auch in Deutschland. Caner Aver, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) in Essen, rechnet damit, dass es hierzulande weiterhin zu Zusammenstößen zwischen Türken und Kurden kommt. Aver ist seit 2003 am ZfTI beschäftigt. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Bereiche wie Bildung, Arbeit, ethnische Ökonomie, Migrantenselbstorganisationen und die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU.

epd: Angesichts des Einmarsches des türkischen Militärs in Nordsyrien steigen auch hierzulande die Spannungen zwischen Türken und Kurden. Bei kurdischen Demonstrationen gab es bereits Angriffe auf türkische Einrichtungen, auch Menschen wurden verletzt. Befürchten Sie eine wachsende Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten?

Aver: Die Sorgen sind durchaus begründet. Durch die türkische Militäroffensive ist die politische Stimmung sowohl in der kurdisch- als auch der türkischstämmigen Community angespannt. Wir können davon ausgehen, dass es noch zu weiteren Demonstrationen seitens der Kurden in Deutschland kommt und ein mögliches Aufeinandertreffen beider Gruppen auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen kann, die besonders Gewaltbereite auf beiden Seiten durch Provokationen auslösen können.

epd: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um eine weitere Eskalation der Gruppen in Deutschland zu verhindern?

Aver: Da wir seit mehreren Jahren vor der Herausforderung stehen, dass Konflikte im Herkunftsland auch hier in Deutschland ausgetragen werden, brauchen wir eine breit angelegte, nachhaltige politische Bildungsarbeit besonders unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund, um sie zum friedlichen und kritischen Umgang mit Konflikten aus dem Herkunftsland zu befähigen. Migranten mit nach wir vor sozialen und kulturellen Bindungen zum Herkunftsland fühlen sich von den politischen Entwicklungen betroffen und tragen Konflikte - häufig stark emotionalisiert - in der neuen Heimat aus, die eskalieren können.

epd: Was kann die Politik tun, um mäßigend auf die Gruppen einzuwirken?

Aver: Hier sollten sowohl politisch Verantwortliche in Deutschland als auch Verbandsvertreter auf beiden Seiten für eine verbale Entspannung sorgen und auf ihre Communities einwirken, weil wir derzeit eine sehr starke Emotionalisierung sehen und gewalttätige Auseinandersetzungen durch kleinste Auslöser jederzeit ausbrechen können. Gewalt kann in keinster Weise eine Lösung sein. Es ist auch nicht legitim, damit Interessen durchzusetzen.